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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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bekommen, und wollte auch seine Tochter sehen.
    Sie fuhren sehr schnell im Nordlicht. Kurze Zeit später erreichte er Paras Derval und wurde dann umgehend in den Palast geleitet. Er war noch staubbedeckt und schmutzig von der Reise, denn ei hatte sich die Zeit nicht gegönnt, die Kleidung zu wechseln. Er betrat die fackelerleuchtete Große Halle, und dort stand Gorlae, pflichtgemäß eine Stufe unter der des leeren Thrones. Der Kanzlei verbeugte sich vor ihm dreifach ehrerbietig, was er nicht erwartet hatte, was ihn jedoch angenehm berührte. Neben Gorlaes und eine Stufe unter ihm gewahrte er eine weitere Gestalt, die sich ebenfalls achtungsvoll, wenn auch weniger zeremoniell verneigte und das war verständlich, wenn man wusste, wer es war.
    Dann teilte Tegid von Rhoden, der Brautwerber des Prinzen Diarmuid, dem Hohen Herrn von Cathal mit, dass Sharra abgereist sei, und wartete – sprungbereit zum Ausweichen – auf die Explosion, die jetzt kommen musste.
    Sie fand indes im Innern statt. In Shalhassans Brust explodierter Angst und eine übermächtige Wut, aber nichts davon fand seiner Weg in sein Gesicht oder seine Haltung. Aber seine Stimme wai eisig, als er fragte, wohin und mit wem.
    Nun antwortete Gorlaes: »Sie ist mit der Seherin und der Hohenpriesterin gegangen, Herr. Sie haben uns nicht unterrichtet wohin. Wenn es erlaubt ist, möchte ich sagen, dass in beiden .., das heißt in allen dreien Weisheit wohnt. Ich glaube nicht …« Er unterbrach sich unvermittelt, denn Shalhassan hatte ihm einer Blick zugeworfen, und dieser Blick hatte schon stärkere Redner als ihn zum Schweigen gebracht. Gleichzeitig aber spürte Shalhassan, dass sein Zorn bereits verebbt war und nur die Angst zurückblieb. Es war ihm ja selbst nie gelungen, seine Tochter unter Kontrolle zu halten. Wie konnte er erwarten, dass dieser Dicke und dieser förmliche Kanzler es besser schaffen würden?
    Auch erinnerte er sich sehr gut an die Seherin, und seine Achtung vor ihr ging sehr tief. Für das, was sie in jener Nacht im Tempel in Gwen Ystrat getan hatte, würde er sie immer ehren: Ganz allein hatte sie sich ihren Weg in die Finsternis von Rakoths Plänen gebahnt, um ihnen die Herkunft des Winters zu zeigen. Wenn sie weggegangen war, so war das mit einem bestimmten Zweck verbunden, und dasselbe traf auch auf die Hohepriesterin zu, die auf ihre Art ebenso beachtenswert war. Aber so stark sie beide auch waren, so bezweifelte er doch, dass es ihnen gelungen wäre, seine Tochter davon abzuhalten, mit ihnen zu gehen, wenn sie sich dazu entschieden hatte.
    O Sharra, dachte er. Zum zehntausendsten Mal fragte er sich, ob es nicht klüger gewesen wäre, noch einmal zu heiraten, nachdem seine Frau gestorben war. Das Mädchen hätte wirklich irgendeine Art von Führung gebraucht, das wurde ihm immer klarer.
    Er sah auf. Über und hinter dem Eichenthron von Brennin waren die farbigen Glasfenster von Delevan hoch oben in die Mauern der Großen Halle eingesetzt. Das Fenster hinter dem Thron zeigte Conary und Colan, wie sie nach Norden in den Krieg ritten. Das Licht des Halbmondes, der draußen schien, ließ ihr gelbes Haar silbrig leuchten. Nun gut, dachte Shalhassan, es würde von ihrem Nachfolger, dem jungen Großkönig Aileron, abhängen, was für einen Krieg die nördlichen Regionen nun zu sehen bekämen.
    Die Anweisungen waren so, wie er es erwartet hatte, wie sie ja auch tatsächlich sein mussten. Er hätte genau dasselbe getan. Die Männer des zweiten Kontingentes von Cathal sollten unter der Führung ihres Hohen Herrn in Brennin bleiben, sie sollten so, wie es Shalhassan und Gorlaes am passendsten erschiene, verteilt werden, um das Großkönigtum und Cathal zu schützen, so gut sie konnten.
    Langsam wandte er seinen Blick von den ruhmreichen Darstellungen des Fensters ab. Er blickte auf Tegid, und das war ein Kontrast, der eines Aphorismus durchaus würdig war, und sagte freundlich: »Macht Euch keine Vorwürfe, der Kanzler hat recht … Die Drei werden schon wissen, was sie tun. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr mit mir gemeinsam Eurem Prinzen Wohlwollen entgegenbringen, der sich nun in Zukunft mit ihr auseinandersetzen muss. Wenn es uns gelingt, zu überleben, jedenfalls.«
    Er wandte sich an den Kanzler. »Ich würde gern etwas essen, mein Herr Gorlaes, und bitte Euch außerdem um Anweisungen an Eure Hauptleute, wie sie meine Männer unterbringen können. Und falls Ihr nicht zu müde seid, wie wär’s danach vielleicht bei einem Glas Wein mit einer

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