Das Kind des Schattens
Partie Ta’Bael? Näher kommen wir beide anscheinend nicht an den Krieg heran und es würde mir gut tun, heute Nacht noch ein wenig zu spielen.«
Der Kanzler lächelte. »Dasselbe hat Ailell auch immer gesagt, mein Herr. Es ist mir eine Ehre, mit Euch zu spielen, ich muss Euch aber warnen, dass ich bestenfalls ein mittelmäßiger Spieler bin.«
»Kann ich vielleicht zuschauen?« fragte der Dicke unsicher.
Shalhassan musterte ihn. »Spielt Ihr Ta’Bael?« fragte er zweifelnd.
»Ein wenig«, antwortete Tegid.
Der Hohe Herr von Cathal zog seinen einzigen noch verbleibenden Reiter zurück und stellte ihn zum Schutz vor seine Königin. Er warf seinem Gegner einen Blick zu, der schon mehr Männern Anlass gegeben hatte, über einen rituellen Selbstmord nachzudenken.
»Ich glaube, dass ich gerade ziemlich königlich geschlagen worden bin«, gab er zu, mehr zu sich selbst als zu den beiden anderen Männern.
Gorlaes, der das Spiel beobachtete, grunzte teilnahmsvoll. Tegid von Rhoden nahm den Reiter mit seinem Turm.
»Prinz Diarmuid verlangt bedingungslos«, murmelte er und legte den Reiter neben das Brett, »dass jedes Mitglied seiner Truppe gut Ta’Bael spielen kann. Aber keiner von uns hat ihn jemals geschlagen.« Er lächelte und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, wobei er seine unübertreffliche Körperfülle wohlgefällig tätschelte.
Shalhassan blickte angestrengt auf das Brett und suchte nach einer Verteidigung gegen die zangenförmige Attacke, die beginnen würde, sobald Tegid den Turm wieder in Aktion treten ließe, gleichzeitig beschloss er, sein Mitgefühl von vorher doch wieder auf seine Tochter zu lenken, die nun mit diesem Prinzen leben musste.
»Sagt mir«, fragte er, »spielt auch Aileron?«
»Ailell hat es seinen beiden Söhnen beigebracht, als sie noch Kinder waren«, murmelte Gorlaes und füllte Shalhassans Weinglas aus einer Schnabelflasche vom Weinberg der Südfeste. »Und spielt auch der Großkönig jetzt auf einem nennenswerten Niveau der Virtuosität?« Shalhassan bemerkte in seiner Stimme eine Andeutung von Erbitterung. Die beiden Söhne von Ailell schienen dieses Gefühl in ihm wachzurufen. »Ich habe keine Ahnung«, erwiderte Gorlaes. »Ich habe ihn als Erwachsenen nie spielen gesehen. Als Knabe war er sehr gut. Er spielte andauernd mit seinem Vater.«
»Er spielt nicht mehr Ta’Bael«, beantwortete Tegid die Frage. »Kennt ihr nicht die Geschichte? Seit Diarmuid ihn einmal geschlagen hatte, als sie noch Jungen waren, hat Aileron nie wieder eine Figur angerührt. So ist er eben.«
Shalhassan nahm es zur Kenntnis, dachte darüber nach und bewegte gleichzeitig bedrohlich seinen Magier auf der Diagonalen. Natürlich war das eine Falle, die letzte, die ihm blieb. Um sie wirksamer zu machen, versuchte er den Dicken mit einer Frage abzulenken. »Ich weiß es nicht. Wie ist er denn?«
Tegid stützte sich auf seinen Stuhllehnen ab und schob sich ein wenig nach vorne, um das Brett deutlicher sehen zu können. Er ignorierte sowohl die Falle wie auch die Frage und ließ seinen Turm zur Seite gleiten, was Shalhassans Königin ein weiteres Mal dem Angriff aussetzte und gleichzeitig den König des Herrn von Cathal bedrohte. Das war eindeutig.
»Er kann es nicht ertragen, wenn er irgendwo verliert«, erklärte Tegid. »Wenn er denkt, er könnte verlieren, fängt er mit den entsprechenden Dingen gar nicht erst an.«
»Könnte das nicht seine Aktivitäten ein wenig begrenzen?« fragte Shalhassan gereizt. Auch er verlor nicht gerne. Auch er war nicht daran gewöhnt.
»Eigentlich nicht«, äußerte Tegid ein wenig widerstrebend. »Er ist in den meisten Dingen außerordentlich gut. Beide sind es« fügte er in seiner Gefolgstreue hinzu.
So gelassen er konnte, kippte Shalhassan seinen König um, er ergab sich und erhob sein Glas vor dem Sieger.
»Ein gutes Spiel«, lobte Tegid freundlich. Dann wandte er sich an Gorlaes: »Sagt, habt Ihr irgendein anständiges Bier hier? Nicht dass ich den Wein nicht mag, aber ich bin heute Nacht entsetzlich durstig, wenn Ihr die Wahrheit wissen wollt.«
»Einen Krug Bier, Vierre«, beauftragte der Kanzler den Pager der schweigend auf der Schwelle stand.
»Zwei!« rief Shalhassan und war selbst davon überrascht.
»Lasst uns die Figuren für ein zweites Spiel aufstellen!«
Er verlor auch dieses Spiel, gewann aber das dritte mit deutlichem Vorteil, was er als ungeheure Genugtuung empfand, die den Abend wieder erträglich machte. Dann schlugen sie beide
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