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Das Kind

Titel: Das Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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doch gesagt, du hast niemandem die Nummer gegeben.«
»Ja, ja, ja, wie oft denn noch? Ich benutze das Ding nur im Notfall. Und wenn, dann bin ich es, der anruft, okay?« Wie einige Berliner Gastronomen ließ auch Borchert nicht alles über die offi ziellen Bücher laufen. Wenn er illegale Absprachen mit seinem Buchhalter, bestechlichen Getränkelieferanten oder Schwarzarbeitern führte, dann tätigte er seine Anrufe sicherheitshalber über das Satellitentelefon. Jetzt, wo sie alle seiner Empfehlung gefolgt waren und bei ihren herkömmlichen Handys die Akkus herausgenommen hatten, war der klobige Telefonknochen ihre einzige Verbindung zur Außenwelt.
»Und was ist dann hier los?«
»Schätze, wir werden’s gleich wissen.«
Borchert stand vom Schreibtisch auf und machte für Stern Platz, der sich an seiner Stelle vor den Flachbildschirm setzte. Sie waren alle gemeinsam zurück ins Chefbüro gefahren, sofort nachdem sie die SMS gelesen hatten. Sie be stand nur aus einer einzigen Zeile:
http://gmtp.sorbjana.org/net.fmx/eu.html Zuerst tat sich gar nichts. Der Browser zeigte weiterhin die Startseite an, die Homepage der »Titanic«-Disco. »Suche Proxy-Einstellungen«, las Carina die Mitteilung links unten vor.
Doch dann verfärbte sich der Bildschirm plötzlich schwarz. Ein heller Ladebalken erschien in der Mitte, und zehn Sekunden später öffnete sich ein postkartengroßes Videofeld. Stern konnte nichts Aufschlussreiches erkennen. Nichts, außer ein paar wackelnden Lichtern, die in unregelmäßigen Abständen wie Sternschnuppen durch das dunkle Bild schossen.
Borchert drehte den Ton der Lautsprecherboxen auf volle Stärke. Ohne Erfolg.
»Kein Bild, kein Ton«, murmelte er. »Was soll der …« Er sagte gerade »Quatsch«, als das Satellitentelefon schon wieder klingelte. Das quadratische Display signalisierte diesmal einen »unbekannten Anrufer«.
Sterns Magen rumorte, als er das Gespräch annahm. 5.
S ie haben sich nicht an die Absprache gehalten.«
Die Verzerrung hatte sich leicht verändert. Die Stimme war jetzt etwas menschlicher geworden und klang genau aus diesem Grund noch viel bedrohlicher als auf der DVD. Stern fragte sich, warum der Sprecher nicht ganz auf die künstliche Verfremdung verzichtete. Er hatte die Stimme doch ohnehin schon einmal unverzerrt in Tiefensees Praxis gehört. Wenn auch nur wenige Worte.
»Wie kommen Sie darauf?«, wollte Stern ausweichen. Vergeblich.
»Lügen Sie mich nicht an. Denken Sie nicht mal dran. Das können Sie mit der Polizei machen. Die sind beschränkt. Ich bin es nicht.«
»Also gut. Ich habe mit Engler telefoniert. Aber nur, weil ich mir Zeit verschaffen wollte. Ich habe nichts über die DVD und unsere Abmachung erzählt.«
»Das weiß ich. Sonst wären Sie jetzt nicht mehr am Leben.«
Das Bild auf dem Monitor zuckte heftig, dann veränderte sich die Farbe. Stern kam es vor, als würde ein Kameramann eine Farbschablone vor die Linse schieben. Auf einmal erhielten die Videoaufnahmen einen Grünstich. Und jetzt konnte Stern endlich erkennen, was ihnen hier vorgeführt wurde. Sein Magen verkrampfte sich.
»Ich fi nde, dass meine Nachtsichtkamera ein perfektes Bild von dem Friedhof einfängt, oder? Sehen Sie unseren Freund Engler da hinten?«, fragte die Stimme. »Und Brandmann, sein fetter Partner, raucht seelenruhig eine fi lterlose Zigarette. Tja, ich sitze zum Glück im Trockenen, während die
armen Schweine Ihretwegen da draußen Überstunden im Regen schieben.«
»Woher haben Sie diese Nummer?« Von allen Fragen war es diese, die Stern im Augenblick am meisten auf der Seele brannte.
»Mein lieber Anwalt, manchmal erstaunt es mich wirklich, wie naiv Sie sind. Langsam müssten Sie doch wissen, wie ich mein Geld verdiene. Mein bevorzugter Tummelplatz ist das Internet. Hier stelle ich meine Ware zum Verkauf aus. Und hier beziehe ich auch meine Informationen. Fragen Sie doch mal Borchert, wie er seine Handy-Rechnung bezahlt.« »Online«, zischte es von hinten.
»Sehen Sie. Ich bin nicht nur gut darin, meine Spuren im Netz zu verwischen. Ich bin auch ein Meister der Informationsbeschaffung.«
»Weshalb rufen Sie an?«
»Ich will Ihnen etwas zeigen.«
Hinter Sterns Trommelfell schien ein Blutgefäß zu platzen. Er hörte ein Pfeifen im Ohr, das erst in ein Rauschen und schließlich in ein unangenehmes Taubheitsgefühl überging. »Erkennen Sie die beiden wieder?«
Carina schlug die Hand vor den Mund. Die grünen Nachtaufnahmen auf dem Monitor waren verschwunden.

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