Das Kind
noch stärker zu beschleunigen.
Was hat Borchert gesagt?
Carina schoss auf eine rote Ampel zu und überlegte fi eberhaft, welche Richtung sie hinter der Kreuzung einschlagen sollte.
Auf der Potsdamer Chaussee, in Höhe der Tankstelle, fi elen
ihr Andis Worte wieder ein.
Verdammt, Andi. Hier gibt es an jeder zweiten Ecke eine
Tanke.
Sie ignorierte die rote Ampel und riss das Steuer nach rechts. Die Richtung stadtauswärts erschien ihr irgendwie logischer, als zurück ins Zentrum zu fahren. Als spielte sich das Grauen eher vor als hinter den Toren der Stadt ab – was natürlich kompletter Blödsinn war. Doch irgendeine Entscheidung musste sie ja treffen, und sie konnte nur beten, dass das Schicksal die Karten ausnahmsweise einmal zu ihren Gunsten verteilte.
11.
W o bleibt Borchert?
Sterns Wut konzentrierte sich auf seinen Exmandanten, der sich aus irgendeinem Grund mal wieder viel zu viel Zeit ließ. Fünf Minuten, hatte er gesagt. Maximal. Dann wollte er ins Haus eingedrungen sein und das Paar überwältigen. Nach dem Intermezzo in Harrys Wohnwagen heute Mittag hegte Stern auch keine Zweifel daran, dass Borchert im Anschluss daran jede Information aus dem Paar herausholen würde, die sie brauchten. Vorausgesetzt, es war überhaupt etwas von Wert in deren kranken Köpfen vorhanden. Denn natürlich war allen klar, dass sie sich an einen Zahnstocher klammerten. Stern hatte für sich beschlossen, dass dieses Unternehmen hier ihr letzter verzweifelter Versuch bleiben musste, um den Wahrheitsgehalt von Simons Behauptungen zu überprüfen.
Und um Felix zu fi nden.
Egal wie das hier ausging. Hinterher würde er Engler anrufen und sich stellen. Er war Anwalt, kein Verbrecher. Und schon gar kein verdeckter Ermittler in der Kinderschänderszene, dessen Vollmitglied gerade neben ihm auf der Couch saß und Simons Knie tätschelte.
»Wie viel?«, fragte der Mann fröhlich, ohne Stern eines Blickes zu würdigen. Robert bemühte sich, etwas Teufl isches in seinem Profi l zu erkennen, doch er sah weiterhin nur einen freundlichen Herrn, dem er ohne zu zögern bei einer Autopanne geholfen hätte.
»Darüber haben wir noch nicht geredet, Schatz.« Die Frau stand noch immer an der Bar und deutete mit ihrem Drink zu Simon herüber. »Aber sieh mal genau hin. Der
Junge scheint mir krank zu sein.«
»Ja, bist du das?« Der Mann hob Simons Kinn an. Der Latexhandschuh war noch blasser als die Haut des Kindes. »Wir haben doch gesagt, wir wollen saubere Ware. Was stimmt denn nicht mit ihm?«
Stern hätte am liebsten die Hand des Mannes gepackt und ihm den Ringfi nger gebrochen. Lange konnte er sich in der Gegenwart dieses geistesgestörten Pärchens nicht mehr beherrschen. Wenn Andi nicht bald hereinstürmte, würde er die Lage selbst klären. Der Drecksack wog etwa zwanzig Pfund weniger als er, war etwas ungelenk und damit leicht zu überwältigen. Die Sonnenbrillenschlange dürfte sowieso kein Hindernis darstellen, solange er nur das Überraschungsmoment auf seiner Seite behielt. Und die Verlängerungsschnur mit dem Lampenkabel musste als Fessel ausreichen. Blieb nur die Frage …
Stern war irritiert, dass der Makler seine Latexhand von Simons Knie zurückzog, ohne dass er einschreiten musste. Dann hörte er es summen. Der Vibrationsalarm wurde lauter, als der Päderast ein ultrafl aches Klapphandy aus seinem Morgenmantel zog.
»Ja, danke«, sagte er nach einer scheinheiligen Begrüßungsfl oskel. Sterns Puls schnellte hoch. Er konnte nicht hören, wer da am anderen Ende sprach. Aber die beiden schienen sich gut zu verstehen, denn der Mann lachte laut auf und bedankte sich noch zwei weitere Male. Dann erstarb sein Lächeln abrupt, und er warf Stern einen misstrauischen Blick zu.
»Alles klar, verstehe«, sagte er und legte auf. Das Sofa atmete erleichtert aus, als der Ehemann aufstand und Simon bei der Hand nahm.
»Er ist Rechtsanwalt, wird von der Polizei gesucht und hat
das Kind aus einem Krankenhaus entführt«, sagte er zu seiner Frau gewandt.
»Was soll der Blödsinn?«, fragte Stern, bemüht, dabei ruhig und gelassen zu klingen. In Wahrheit war sein Kreislauf vor Angst völlig außer Kontrolle geraten. Es wurde noch schlimmer, als die Frau eine Waffe auf ihn richtete. »Nehmen Sie das Ding aus meinem Gesicht«, forderte er wirkungslos. »Was läuft hier ab?«
»Das würden wir Sie gerne fragen, Herr Stern. Was für ein Spiel spielen Sie?«
»Gar keins. Ich bin zu Ihnen nur gekommen, um …« Stern stockte irritiert, weil
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