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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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nicht.«
    Sigrun warf den Rest der Zigarette auf den Boden und trat die Glut sorgfältig aus. »Gib sie mir.«
    Ich schüttelte langsam den Kopf. Einen Moment lang wurden ihre klaren blauen Augen ganz dunkel.
    »Bitte«, flüsterte sie.
    »Ich kann nicht.«
    Sie seufzte tief und zog wieder die Zigarettenpackung heraus. Die paar Sekunden zwischen dem Nehmen und dem Anzünden der Zigarette gaben ihr die Gelegenheit, sich zu beruhigen.
    »Die Einunddreißigste«, sagte ich.
    Sie lächelte schwach.
    »Du machst einen Fehler.«
    Sie sah mich lange an. Sigrun hatte ihre moralische Messlatte sehr hoch gehängt. Und nun war sie im Begriff, stolz erhobenen Hauptes darunter hindurchzumarschieren. Sie wusste es. Das Schlimmste für sie war, dass ausgerechnet ich sie daran erinnerte.
    »Ich muss meine Familie schützen. Schlimmstenfalls sogar vor dir.«
    »Du kannst auch anders. Steh zu dem, was passiert ist. Geh offen damit um. Was ist so schlimm daran, einen Fehler zuzugeben, den du noch nicht einmal selbst begangen hast?«
    »Der Zeitpunkt«, antwortete sie. »In drei Wochen sind Wahlen,
du arrogantes, gewissengewendetes Stück. Ich bitte dich jetzt zum letzten Mal: Gib mir die Papiere. Wenn dir irgendetwas an mir liegt, an meiner Zukunft, an unserer Beziehung, dann rück sie raus.«
    Sigrun sah an mir vorbei zur nächsten Straßenecke. Dort hatte der Fahrer geparkt. Sie nickte ihm zu. Er legte den Rückwärtsgang ein, wartete die nächste Lücke im Verkehr ab und kam zu uns hochgefahren.
    »Ansonsten hast du bis heute Abend gepackt.« Sie ging auf den Wagen zu.
    »Sigrun«, sagte ich.
    Sie hob kraftlos die Hand und versuchte zu lächeln. Kein siegesgewisses Strahlen, keine Zukunft-jetzt-Zuversicht, sondern ein schon auf den Wangen vergehendes Lächeln, so schwach wie das Wenige, das uns noch verband. Und als ob ich das Wenige auch noch auslöschen wollte, sagte ich ihr: »Ich weiß, was du Dienstag gemacht hast.«
     
    Sie wurde kreidebleich. Dann stieg sie in den Wagen, ohne mich noch einmal anzusehen. Durch die Scheibe sah ich, wie sie dem Fahrer eine Anweisung gab. Der Wagen fädelte sich in den Verkehr Richtung Rathenauplatz ein.
     
    Ich wusste nicht, was sie ihrem Vater erzählt hatte. Aber in den fünf Minuten, die ich vom Roseneck zur Villa brauchte, war die Welt eine andere geworden.
    Sein Mantel hing an der Garderobe. Da das Klopfen durch die Polsterung nicht zu hören war, ich aber wusste, dass er da war, trat ich einfach ein.
    Utz saß allein an dem runden Arbeitstisch im Erker und studierte Akten. Er sah nur kurz hoch, schraubte dann seinen Füller auf und setzte eine Unterschrift auf ein Dokument. Mit einer Kopfbewegung hieß er mich, Platz zu nehmen. Ich folgte der Aufforderung
und wartete ab. Umständlich schraubte er den Füller wieder zu und nahm dann die Lesebrille von der Nase, die er nur beim Aktenstudium trug.
    »Das hätte ich nicht erwartet«, sagte er schließlich. »Für mich wart ihr ein schönes Paar. Aber da sieht man, dass Vaterliebe blind macht.«
    »Wir haben eine Meinungsverschiedenheit. Aber das möchte ich gerne mit Sigrun unter Ausschluss der Öffentlichkeit klären.«
    »Soso.«
    Utz faltete die Hände. Nichts in seinem Gesicht ließ erkennen, was er dachte. »Du wünschst also den Ausschluss der Öffentlichkeit. Um nicht zu sagen: Diskretion.«
    Er ging ächzend hinüber zu seinem Schreibtisch. Es waren nur sieben Schritte, doch er hatte Mühe, sie zu bewältigen. Er öffnete die mittlere Schublade und holte sein Scheckheft heraus.
    »Hunderttausend. In bar. Ich habe der Bank Bescheid gesagt. Du kannst es sofort mitnehmen. Damit wäre deinem Wunsch wohl Genüge getan.«
    Er stellte einen Scheck aus, riss ihn ab und kam langsam wieder auf mich zu. Dabei wedelte er mit dem Papier, um die Tinte zu trocknen. »Bitte sehr.«
    Er legte den Scheck vor mich auf den Tisch.
    Ich starrte erst auf die Summe und dann auf Utz. »Ich bin kein Gigolo, falls du das damit zum Ausdruck bringen solltest. Es ist eine Angelegenheit zwischen Sigrun und mir.«
    »Und Frau Tscherednitschenkowa, nicht wahr? Beziehungsweise der Dame, die sich für sie ausgibt.«
    Ich nahm den Scheck langsam hoch, musterte ihn genau und zerriss ihn. Dann stand ich auf und ließ die Schnipsel in den Papierkorb regnen.
    »Ist die Summe zu niedrig?«
    »Ich will kein Geld.«

    »Was dann?« Utz schwankte leicht. Er stützte sich auf eine Stuhllehne. »Du gräbst. Du suchst irgendetwas, aus dem du uns einen Strick drehen kannst. Dabei

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