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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Kräfte. Sigrun verschanzte sich in der Ecke des Wagens, ich beugte mich vor, um sie vor den Beschimpfungen zu schützen und die Wagentür zu schließen. Dressler riss sich los.
    »Die Russin«, spuckte er. Kleine Speicheltröpfchen spritzten von seinem Mund. »Ihr wisst, wo sie steckt. Wo habt ihr sie hingebracht? «
    Jetzt hatten sie ihn endlich am Kragen und zogen ihn zurück. Die Tür wurde zugeschlagen, das Auto fuhr an und nahm die Ampel bei Dunkelgelb. Wir brausten mit siebzig die Hubertusallee hinunter.
    Sigrun atmete tief ein und schob sich die Haare nach hinten. Dann sah sie sich um, als ob sie verfolgt würde. Sie zitterte.
    »Was meint er damit, dass sie weg ist? Gott sei Dank ist sie weg! Alle müssten sie weg sein! Hört das denn nie auf?«
    Sie nestelte am Verschluss ihrer Tasche. Schließlich gelang es
ihr, einen kleinen Taschenspiegel herauszuholen und sich darin anzusehen. Wütend klappte sie ihn wieder zu und steckte ihn weg. »Wahrscheinlich ist sie dahin zurück, wo sie hergekommen ist.«
    »Sigrun …«
    »Was hat er noch gesagt?«
    »Nichts.«
    Sie schnaufte noch einmal. »Erzähl keinen Unsinn. Was hat er gesagt? Er muss doch was gesagt haben. Ich will das wissen.«
    Ich schwieg. Sie wartete einen Moment, dann hieb sie mit der Faust auf die Rückenlehne. »Anhalten!«
    Der Fahrer trat sofort auf die Bremse. Ich flog ein Stück nach vorne. Sigrun öffnete die Tür, ohne auf den Verkehr zu achten, und stieg auf die Fahrbahn. Es hupte ohrenbetäubend. Ich folgte ihr und zog sie am Arm auf den Bürgersteig.
    »Okay. Ich hab ihm eins auf die Nase gegeben. Aus Ritterlichkeit. Und aus demselben Grund verrate ich dir nicht, was er gesagt hat.«
    »Hau ab!«
    Der Fahrer hatte den Wagen etwas unvorschriftsmäßig geparkt und sah besorgt zu uns hinüber.
    »Er wollte dich vögeln.«
    »Was?«
    »Ja. Er fand dich … na ja, ziemlich sexy.«
    »Dieses fette Schwein wollte mich …«
    Sie drehte sich um und schlug die Hand vor den Mund. Dann fing sie an zu lachen. Ich fand sie unglaublich. Sie führte sich auf wie ein Teenager, dem man gerade ein Kompliment gemacht hatte.
    »Du warst eifersüchtig?«
    Ich starrte sie an und entschied mich für das einzig Richtige: Ich nickte. Sie gab dem Fahrer ein Zeichen, ohne sie weiterzufahren. Dann kam sie auf mich zu, die Hände in den Taschen ihrer Jacke verborgen.
    »Eifersucht.«

    Sie blieb direkt vor mir stehen und musterte mich. »Eine schlimme Sache. Man sollte versuchen, sich davon frei zu machen. Aber es gelingt nicht immer. Mir gelingt es zum Beispiel überhaupt nicht. Warum nur habe ich ständig das Gefühl, dass du mich verarschst?«
    Ich sah sie stumm an. Ich konnte sie verstehen. Aber ich konnte ihr nichts erklären.
    »Wo warst du gestern Abend?«
    »Unterwegs«, antwortete ich. Es klang nicht originell, aber es war schwierig, ehrlich zu sein und nicht die Wahrheit zu sagen. Sigrun spürte das und legte noch eine Spur mehr Verachtung in ihre Stimme.
    »Und wohin und mit wem, wenn ich fragen darf?«
    Sie musterte mich scharf. Da ich ihr die Antwort schuldig blieb, gab sie sie selbst. »Mit deiner Anwaltsfreundin? Oder mit dieser Russin?« Sigrun wendete sich abrupt ab, als wollte sie eine Regung ihres Gesichtes verbergen, und ging ein paar Schritte auf und ab. »Du musst dich entscheiden. Sie oder sie oder ich. Bevor dein Privatleben zu unübersichtlich wird.«
    »Sigrun …«
    »Denkst du nicht«, schrie sie, brach ab und setzte noch einmal leiser an. »Denkst du, ich weiß nicht, was sich hinter meinem Rücken abspielt? Dass da irgendetwas im Busch ist, gegen mich, gegen meine Familie? Denkst du, ich weiß nicht, dass du, der einzige Mensch, dem ich voll und ganz vertraut habe, mitmachst dabei? Dass du das Messer wetzt, das mir irgendjemand in den Rücken jagen will?«
    Sie holte ein zerquetschtes Päckchen Zigaretten aus der Hosentasche hervor. Mit sehr bedachten Bewegungen zog sie eine heraus und zündete sie sich an. Sie inhalierte tief und blies den Rauch auf die Glut, die nicht richtig glimmte.
    »Dreißig Stück am Tag. Von null auf dreißig. Danke, Joachim. Wie weit seid ihr?«

    »Wir haben die Arbeitsbücher gefunden. Sie belegen, dass deine Großmutter Natalja als Zwangsarbeiterin beschäftigt hat.«
    Sigrun nickte. »Wer hat die Bücher?«
    »Ich.«
    »Wo sind sie?«
    Ich schwieg.
    Sigrun nickte wieder. »Was wollt ihr damit machen?«
    »Hör doch endlich mal auf, im Plural zu sprechen!«
    »Was willst du damit machen?«
    »Ich weiß es

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