Das Kleine Buch Der Lebenslust
Menschen anschauen, als ob ich sie zum ersten Mal sähe. Vorurteile werden wegfallen. Was ich bisher über diesen Menschen gedacht habe, ist nicht wichtig. Alle Schubladen, in die ich Menschen gesteckt habe, haben sich in nichts aufgelöst.
Alles wäre anders: Ich würde an meine Arbeit mit Neugier gehen. Ich würde mich freuen, Dinge so zu tun, als ob ich sie das erste Mal täte. Ich hätte keineAngst, dass ich die Arbeit nicht zustande brächte. Vielmehr würde ich ausprobieren, wie ich sie geschickt und mit Lust vollziehen könnte. Und ich würde die Schöpfung um mich mit neuen Augen ansehen. Ich würde in meinen Garten schauen, als ob er ganz neu wäre. Ich würde manche Schönheit darin entdecken, die ich bisher übersehen habe.
Beim Beschließen des Tages soll ich mir vorstellen, es wäre der letzte Tag. Das heißt für mich: Ich beende diesen Tag, als ob es das Ende meines Lebens wäre. Ich lege alles in Gottes gute Hand, diesen Tag, mich selbst, alle Menschen, die mir lieb sind, und mein ganzes Leben. Solcher Beschluss des Tages ermöglicht mir gleichzeitig einen neuen Anfang. Und er gibt mir das Gespür, dass ich immer wieder alles loslassen sollte, um mich in Gottes gute Hände zu ergeben. Die Nacht erinnert mich an den Schlaf des Todes. Und jeden Morgen erfahre ich die Auferstehung zu neuem Leben, das Gott mir ermöglicht.
Es steckt viel Weisheit in diesem Sprichwort. Es verwandelt mein Beginnen und mein Beschließen, meinen Anfang und mein Ende.
Das Leben tanzen – Im Einklang mit der Melodie der Freude
Das Leben tanzen
Im Einklang mit der Melodie der Freude
Mich wunderts ...
„Ich komm, weiß net woher,
Ich fahre, weiß net wohin,
Mich wunderts, dass ich fröhlich bin.“
Es sind eigenartige Verse, die dieses mittelalterliche Gedicht uns überliefert. Obwohl der Dichter nicht weiß, woher er kommt und wohin er geht, ist er doch fröhlich. Und er wundert sich über seine Fröhlichkeit. Er stellt sich die Grundfragen des Menschseins: Woher komme ich und wohin gehe ich? Aber er gibt sein Unwissen zu. Er kennt die letzten Antworten nicht. So begnügt er sich mit seinem Nichtwissen. Und damit erringt er die wahre Weisheit, die nach Sokrates darin besteht: zu wissen, dass ich nichts weiß. In seinem Nichtwissen ist er dennoch fröhlich. Er wundert sich darüber. Er kann seine Fröhlichkeit nicht erklären. Sie hat keinen Grund. Sie ist einfach in ihm. Er freut sich, weil er sich freut. Er findet sich als fröhlich vor. Die Fröhlichkeit ist offensichtlich eine Grundlage seines Daseins. Und damit erkennt er bei allem Nichtwissen etwas Wesentliches über den Menschen: Der Mensch ist Freude. Die Fröhlichkeit ist ihm von Natur ausmitgegeben. Letztlich ist sie ein Gottesgeschenk. Aber auch das will der Dichter nicht beweisen. Er nimmt dankbar an, dass er fröhlich ist. Das genügt ihm.
Leben ist Tanz
„Ich bin entschlossen, mich von den Tönen verwandeln zu lassen, die aus der Stille meiner Seele aufsteigen, und mein Herz soll die Melodie finden, zu der ich mein Leben tanze“, sagt Sheldon Kopp, ein amerikanischer Psychotherapeut. Diese Erfahrung hat vermutlich jeder von uns schon gemacht. Eine schöne Musik kann unser Herz verwandeln und es mit Freude erfüllen. Kopp meint aber nicht die Musik, die wir im Konzertsaal hören oder auf CDs gespeichert haben. Wenn er sich der Stille überlässt, hört er aus der Stille seiner Seele Töne aufsteigen. Es sind nicht die einmal im Konzert gehörten Töne, sondern Töne, die aus ihm selber kommen. Das Herz soll zu diesen Tönen, die aus ihm aufsteigen, eine Melodie finden, zu der er sein Leben tanzt. Das Herz hat also die Fähigkeit, aus den einzelnen Tönen, die in uns erklingen, eine Melodie zu formen. Manchmal ertönen in uns schrille Klänge. Das Herz bildet daraus eine Melodie, nach der wir tanzen können.
Melodie der Stille
Wir sind im Einklang mit uns selbst, wenn wir nicht nach der Pfeife anderer Leute tanzen, sondern nach der inneren Melodie, die das eigene Herz in uns formt. Es kommt darauf an, diese innere Melodie zu entdecken. Voraussetzungen sind Stille und das achtsame Hinhören, was da in der Stille in uns auftaucht. Die Stille ist voller Klänge. Am Anfang konfrontiert uns die Stille mit dem inneren Lärm. Doch wenn wir sie aushalten und weiter in sie hineinhorchen, werden wir leise Töne hören, Töne, in denen unser Innerstes erklingt. So wie der Kosmos nach der Lehre der Pythagoreer voller Klang ist, so ist es offensichtlich auch unsere Seele.
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