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Das Kloster der Ketzer

Das Kloster der Ketzer

Titel: Das Kloster der Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M Schroeder
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zügelloser Begehrlichkeit nach hart klingender Münze. Es war das Feuer eines
Ablasspredigers, der mit seinem Tross in die Stadt eingefallen war.

13
    Wieder einer dieser Dominikanermönche, der uns das Geld aus dem Beutel locken will!«, hörte Sebastian einen vornehm gekleideten Mann grollen, der mit einem ähnlich wohlhabenden Begleiter an ihm vorbeieilte, als die Gasse ihn freigab und er auf den Residenzplatz gelangte.
    Sebastian hatte seine Eltern oft über das Unwesen dieser päpstlichen Ablassprediger schimpfen gehört, die durch das Land zogen und den Leuten ihr letztes Geld aus den Geldbörsen schwatzten. Er wusste von seinen Zieheltern, dass der Missbrauch, der mit dem einträglichen Geschäft des Ablasses getrieben wurde, Gegenstand mehrerer der 95 Thesen 4 des Martin Luther gewesen war, die dieser im Oktober 1517 an die Wittenberger Schlosskirche geschlagen hatte und die letztlich zum Bruch der Neugläubigen mit der römisch-katholischen Kirche geführt hatten. Doch er selbst hatte bislang noch keinen von diesen Predigern zu Gesicht bekommen. Nun bot sich ihm erstmals Gelegenheit dazu, und die Neugier trieb ihn wie alle anderen in die Menschenmenge, die sich um den Ablassprediger und seine Männer gebildet hatte.
    Sie waren mit drei aufwändig herausgeputzten Wagen in die Stadt gekommen. An den vier Ecken eines jeden Gefährts
brannten Pechfackeln in gezackten Kronen aus geschmiedetem Eisen, obwohl es doch schon helllichter Tag war. An der Spitze des Zuges ging ein bulliger Mönchsknecht, der ein großes rotes Kreuz mit blutigen Nägeln trug. Von der Spitze des Kreuzes baumelte eine Dornenkrone herab, das Zeichen des Ablasses. Ein anderer Knecht folgte mit der päpstlichen Fahne. Und wieder andere Begleiter des Predigers führten weitere Banner mit sich sowie große Bildtafeln, die zeigten, wie erlöste Seelen aus dem Fegefeuer dem Himmel entgegenstrebten.
    An den Seitenwänden der Wagen und von den Rücken der Pferde hingen ähnliche grob gemalte Bildtafeln, nur zeigten diese die entsetzlichen Folterqualen, die in den Höhlen der feurigen Hölle auf jeden Sünder warteten. Da peinigten dämonische Teufelsgestalten, mit sichtlicher Lust an der Grausamkeit, die armen Seelen mit glühenden Zangen, durchbohrten sie mit Schwertern und Lanzen, rissen ihnen die Eingeweide aus dem Leib, siedeten sie in riesigen Kesseln mit brodelndem Öl, spannten sie auf ein mit Eisendornen gespicktes Rad, zerrten ihnen auf der Streckbank die Glieder auseinander, stachen ihnen die Augen aus, hackten ihnen die Hände ab, ersäuften und vierteilten sie – unsägliche Folterungen, von denen es im Fegefeuer des Teufels keine Erlösung durch den Tod gab, sondern die immer wieder aufs Neue erlitten werden mussten.
    Im ersten Wagen ragte ein hölzernes Podest auf, das einem Schreibpult ähnelte. Dort lag unter einem mit Goldleisten verzierten Glaskasten auf einem blauen Samtkissen die Ablassbulle des Papstes. Auf dem dritten Wagen, der den beiden ersten mit etwas Abstand folgte, saßen sechs bewaffnete Knechte, die im Dienst des Bankhauses der Fugger in Augsburg standen, um die mit schweren Eisenbändern beschlagenen Opferkästen zu bewachen.

    Der Ablassprediger, eine kräftige Gestalt im schwarzen Habit der Dominikanermönche, stand im mittleren der drei Wagen in einem offenen Geviert. Es bestand aus mit feuerroten Bändern umwickelten Rundhölzern, die ihm auf den holprigen Straßen und Gassen Halt geben sollten, während sich die Wagen vorwärts bewegten und er währenddessen redegewandt die Vorzüge des päpstlichen Ablasses verkündete. Seine Stimme drang klar und durchdringend über den Platz, der sich mit immer mehr Menschen füllte, so dass der Tross schon bald zum Stehen kam.
    »…so erbarmt euch der armen Seelen eurer Hinterbliebenen, die im Fegefeuer ohne Unterlass die schrecklichsten Strafen zu erleiden haben!«, rief der Prediger den Passauer Bürgern zu, seine Worte mit nachdrücklichen Gesten begleitend. »Hört ihr nicht, wie sie aus der Hölle zu euch schreien: ›Erbarmt euch, wir sind in grausamer Pein! Doch ihr könnt uns mit wenigen Almosen erlösen! Seid nicht so grausam, uns in den Flammen und unter den Folterwerkzeugen der Teufelsknechte schmachten zu lassen!‹ Ja, hört die Stimmen eurer Verstorbenen, Bürger von Passau, und schenkt ihnen die erflehte Erlösung! Denn schon für einen viertel Gulden ist der Ablassbrief zu haben, kraft dessen ihr die göttliche und unsterbliche Seele sicher und frei zum

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