Das Kloster der Ketzer
sein können?«
Sebastian schluckte. »Ich... ich hielt es nicht länger aus … die Ungewissheit, wie es meiner Mutter geht«, stammelte er schuldbewusst. »Es tut mir Leid, aber...«
»Gisa von Berbeck ist tot«, fiel ihm der Kapuzenmann mit fast herzloser Sachlichkeit ins Wort. »Sie starb noch in derselben Nacht, als du mit den beiden Männern vom Hof geflüchtet bist. Der Überfall des Domherrn war wohl zu viel für sie.«
»Oh mein Gott!«
»Du wusstest doch, dass sie nicht mehr lange zu leben hatte«, fuhr der Kapuzenmann fort, nun etwas sanfter im Tonfall. »Und vielleicht war es so auch besser für sie. Denn so blieb ihr erspart, mit ansehen zu müssen, wie Tassilos Männer gewütet und ihr Landgut niedergebrannt haben.«
»Sie haben Erlenhof niedergebrannt?«, stieß Sebastian erschüttert hervor.
»Ja, angeblich ist das Feuer ausgebrochen, als ihr euch der Verhaftung widersetzt habt. Der Verlautbarung des Domherrn zufolge wolltet ihr mit dem Feuer von eurer Flucht ablenken«, berichtete der Fremde. »Das ist natürlich eine Lüge, aber es wird keinen geben, der sie ihm widerlegen kann und will.«
»Warum hat er das getan?«, fragte Sebastian. »Und weshalb will er mich überhaupt verhaften und einkerkern? Ich habe doch nichts mit diesem Tassilo von Wittgenstein zu schaffen? Was hat das alles zu bedeuten? Also sagt mir endlich, was für ein gemeines Spiel hier gespielt wird! Ich habe ein Recht darauf, es zu erfahren, denn es geht ja wohl um meinen Kopf!«
»Du irrst, es geht nicht allein um dich«, widersprach der Fremde.
»Um wen denn noch? Vielleicht auch um meinen leiblichen Vater, von dem ich nicht das Geringste weiß?«
»So ist es!«
»Dann sagt mir endlich, wer mein Vater ist!«, forderte Sebastian ihn auf und sprang von der Kiste hoch.
»Das geht nicht!«
»Diese Antwort akzeptiere ich nicht!«, erwiderte Sebastian. »Ich will es jetzt endlich wissen! Wer ist mein Vater und was will der Domherr von mir? Schluss mit der Geheimnistuerei! Ihr habt mich lange genug dieser entsetzlichen Ungewissheit ausgesetzt!«
»Mäßige dich in deinem Ton! Du redest nicht mit Stumpe oder einem Fuhrknecht!« Die Stimme des Kapuzenmanns war so scharf wie eine frisch geschliffene Schwertklinge. »Und du tust gut daran, genau das zu tun, was ich sage!«
Sebastian sank auf die Kiste zurück. »Ist mein Vater vielleicht dieser Leonhard Kaiser, der vor einigen Wochen aus Wittenberg zurückgekommen ist, um seinen Vater am Sterbebett zu besuchen, und der wegen Ketzerei verhaftet worden ist? Wollte meine... Ziehmutter deshalb, dass mich Elmar und Ansgar in die Hochburg der Lutheraner bringen?«
»Nein, dieser Mann ist nicht dein leiblicher Vater, so viel kann ich dir sagen«, antwortete der Kapuzenmann.
»Seid... seid dann Ihr mein Vater?«, wagte Sebastian nach kurzem Zögern zu fragen.
»Auch darauf kann ich dir mit einem klaren Nein antworten.«
»Und was ist mit diesem Druckherrn Leonius Seeböck in Wittenberg?«
»Auch er ist nicht dein Vater.«
»Wer ist es dann? Bitte lasst mich nicht länger im Dunkeln über meine wahre Herkunft, und wieso mein Vater verloren sein soll, wenn ich dem Domherrn in die Hände falle!«, flehte Sebastian inständig. »Versteht Ihr denn nicht, dass ich es wissen muss?«
»Verstehen kann ich sehr wohl«, sagte der Kapuzenmann mit einer Spur Mitgefühl in der Stimme. »Aber dennoch darf ich mich nicht dazu hinreißen lassen, dir seinen Namen sowie die Umstände zu verraten, die nun auch dich in höchste Lebensgefahr gebracht haben.«
»Aber warum denn in Gottes Namen nicht?«, begehrte Sebastian auf. »Was ist damit gewonnen, wenn Ihr mir das alles verschweigt?«
»Je weniger du weißt, desto besser ist es für dich und für uns!«, beschied ihn der Fremde schroff. »Manches Wissen birgt große Gefahren in sich und kann zudem einen jungen Menschen wie dich dazu verleiten, sich zu überschätzen und Dinge zu tun, die er besser unterlassen hätte. Was heute am Vormittag geschehen ist, gibt dafür ein sehr deutliches Beispiel ab.«
»Ich verspreche Euch hoch und heilig, zukünftig jegliche Eigenmächtigkeiten zu unterlassen, nur sagt mir, wer mein Vater ist und warum der Domherr mich in seine Gewalt bringen will!«, beschwor Sebastian ihn.
Der Kapuzenmann antwortete mit einer Gegenfrage, die scheinbar nichts mit Sebastians inständiger Bitte zu tun hatte. »Habe ich dir nicht das Leben gerettet, als ich einen Boten mit der Warnung zum Erlenhof schickte?«
»Doch, das
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