Das Kloster der Ketzer
entschuldige, Laurentius .« Sie zwinkerte ihm zu in der Hoffnung, ihn ein wenig aufzumuntern.
Aber Sebastian verzog das Gesicht. »Das ist leicht gesagt, wenn man nicht in meiner Haut steckt! Womöglich muss ich wochenlang, vielleicht sogar Monate in diesem Kloster aushalten, bis... ja, bis was passiert? Nicht einmal das weiß ich! Diese ganze Geheimnistuerei macht mir wirklich schwer zu schaffen.«
»Das verstehe ich, Sebastian«, sagte Lauretia. »Es bringt jedoch nichts, sich ständig im Kreis zu drehen. Du musst einfach darauf vertrauen, dass er das Beste für dich im Sinn hat. Und sei froh, dass er so umsichtig war, diesen Stumpe zu beauftragen, den Mühlhof im Auge zu behalten. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn dich Jodok geschnappt hätte. Dank des Kapuzenmannes hast du noch immer deine Freiheit, allein das zählt.«
Hilflos zuckte Sebastian mit den Achseln. »Du hast ja Recht. Aber sag mal, kennst du dieses Kloster, in dem ich mich verstecken soll?«
Sie nickte. »Ja, es ist ein recht großer Komplex einige Meilen außerhalb der Stadt. Es liegt am linken Ufer des Inn und gehört zum Orden der Zisterzienser, die ja all ihre Klöster der Muttergottes weihen. Deshalb heißt es auch Unsere Liebe
Frau vom Inn . Ganz früher, also vor über hundert Jahren, existierte dort mal ein kleines Rittergut mit einer Kornmühle in seinen Mauern. Bei einem Krieg zu Beginn des letzten Jahrhunderts ist das Rittergut bis auf die Kornmühle fast völlig zerstört worden und später haben dann die Zisterzienser das Gelände als Schenkung erhalten und dort ihr Kloster gebaut. Jetzt leben dort rund fünfzig Mönche und einige Dutzend Konversen, also Laienbrüder, die für die Bewirtschaftung der Ländereien vor dem Kloster zuständig sind. – So, und jetzt lass uns sicherheitshalber noch einmal die Geschichte mit dem Wandergelehrten und Laienprediger durchgehen, die du erzählen sollst, wenn man dich fragt, wer du bist und woher du kommst und wieso du eine so gute Ausbildung genossen hast.«
Gemeinsam gingen sie zum wiederholten Male die vielen Details durch, die aus Lauretias Wanderschaft mit dem gelehrten Vaganten Wolfram Mahlberg stammten. Lauretia spielte die Rolle des hartnäckigen Fragenstellers, der alles ganz genau wissen wollte, und da sie ihn gut vorbereitet und er sich alles bestens eingeprägt hatte, konnte er zu ihrer Zufriedenheit auf alle Fragen eine stimmige Antwort geben.
»Ausgezeichnet! Nun bist du für dein Gespräch mit dem Prior oder Novizenmeister bestens gerüstet«, sagte Lauretia schließlich. »Alles hat Hand und Fuß. Bestimmt wird man sich freuen, einen jungen Mann aufnehmen zu können, der nicht nur lesen und schreiben kann, sondern auch noch des Lateinischen und Griechischen mächtig ist!«
»Hoffen wir es«, sagte Sebastian und wechselte dann das Thema. »Dem Kapuzenmann scheint wirklich viel daran zu liegen, dass ich meine Freiheit bewahre. Und ich bin ihm dankbar für alles, was er mich getan hat und tut. Aber eines ist doch komisch.«
»Was denn?«
»Dass er von der schäbigen Reisebibel weiß, die wir auf unserer Flucht auf Geheiß meiner Ziehmutter unbedingt mitnehmen mussten.«
Lauretia fand das gar nicht so überraschend. »Vermutlich hat er den Lederbeutel unter der Bettstelle bemerkt und nachgeschaut, was du darin aufbewahrst. Er hatte ja Zeit genug, als er hier auf dich gewartet hat.«
»Möglich.« Sebastian klang nicht sehr überzeugt. »Aber warum war er dann so erpicht darauf, sie für mich in Verwahrung zu nehmen, solange ich im Kloster bin?«
»Aber das liegt doch auf der Hand«, sagte Lauretia fast belustigt. »Wer in ein Kloster eintritt, muss alles Weltliche zurücklassen, darf daher auch keinen persönlichen Besitz bei sich behalten und muss alles abgeben, was er bei sich trägt, das weiß doch jeder! Der Kapuzenmann wollte dir also nur einen Gefallen tun. Was könnte ihn auch an so einer wurmstichigen und stockfleckigen Bibel interessieren?«
»Genau das wüsste ich eben gern«, erwiderte Sebastian. »Was ist, wenn die Bibel doch nicht wertlos ist, ja vielleicht sogar in all diesem wilden Durcheinander der Geheimnisse eine besondere Bedeutung hat, die wir bloß nicht kennen?«
»Was für eine Bedeutung sollte sie denn haben?«, fragte sie zurück, und ihre Miene verriet, dass sie nicht daran glaubte.
»Ich weiß es doch auch nicht. Aber wenn das Buch wirklich nicht viel wert ist, hätte es ihm doch egal sein können, als ich ihm sagte, ich würde die
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