Das Kloster der Ketzer
habt Ihr.«
»Und hättest du dich schwer verletzt vor den Schergen ohne meine Hilfe verstecken können?«
»Wohl kaum.«
»Und was wäre wohl passiert, wenn ich nicht Stumpe damit beauftragt hätte, das Tor von Dornfelds Mühlhof im Auge zu behalten und mir sofort Bescheid zu geben, solltest du dich aus dem Versteck wagen?«
»Ich säße jetzt wohl mit einem ausgestochenen Auge und
vielleicht noch anderen Verwundungen in irgendeinem Kerker«, gab Sebastian kleinlaut zu.
»Mit ein wenig Großzügigkeit deinerseits kann ich dann wohl für mich in Anspruch nehmen, dir dreimal das Leben gerettet zu haben«, stellte der Kapuzenmann trocken fest. »Oder siehst du das vielleicht anders?«
»Nein«, murmelte Sebastian.
»Gut, dass wir darin übereinstimmen.« Er machte eine kurze Pause, bevor er fragte: »Meinst du nicht, dass du nach all dem, was ich für dich getan habe, eigentlich darauf vertrauen müsstest, dass ich weiß, was ich tue und was gut für dich ist?«
Sebastian nickte wortlos, senkte beschämt den Kopf und biss sich auf die Lippen.
Für eine kurze Weile herrschte Schweigen zwischen ihnen.
»Ich verstehe nur nicht, wieso ein so mächtiger Mann wie der Domherr persönlich mit einer Schar bewaffneter Schergen nach Erlenhof kommt, um jemand so Unbedeutenden wie mich zu verschleppen. Es ist so schwer...«
Der Kapuzenmann ließ ihn nicht ausreden. »Ich verstehe, was dich beschäftigt und quält, aber die Entscheidung, dich vorerst nicht in die Hintergründe einzuweihen, entsprang nicht einer Laune, sondern wurde nach reiflicher Abwägung getroffen. Tassilo von Wittgenstein ist nun mal ein mächtiger Mann und ein sehr gefährlicher Gegner, wenn er seinen Einfluss und seine Macht im Domkapitel gefährdet sieht. Da ist es sowohl für dich als auch für jeden anderen Beteiligten gut, wenn der eine möglichst wenig vom anderen weiß. Denn auch ich riskiere in dieser Sache meinen Hals sowie die Zukunft meiner Familie!«
»Dafür bin ich auch sehr dankbar«, murmelte Sebastian betreten.
»Dann vertraue mir und erspare mir weitere Fragen nach deinem Vater und den Motiven des Domherrn!«, forderte der
Fremde ihn energisch auf. »So, und nun lass uns zu den Dingen kommen, die dringlicher als alle anderen sind!«
»Was haben wir denn noch zu bereden?«
»Natürlich was nun aus dir werden soll«, sagte der Kapuzenmann. »Durch dein eigenmächtiges Handeln heute Morgen hast du sozusagen in ein Wespennest gestochen und den ganzen Schwarm aufgescheucht. Tassilo weiß jetzt, dass du nicht im Moor verblutet bist, sondern deine Verletzungen wundersamerweise überlebt hast und dich hier in der Stadt versteckt hältst. Er wird deshalb fieberhaft nach dir suchen lassen. Und da ihm dabei mehr Mittel zur Verfügung stehen, als du dir vorstellen kannst, bist du auch hier nicht länger sicher.«
Sebastian erschrak. »Und was soll nun aus mir werden?«
»Darüber habe ich mir den ganzen Tag schon Gedanken gemacht, und ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass es nur einen Ort gibt, wo man wohl nicht nach dir suchen dürfte – und der liegt hinter den Mauern eines Klosters!«
Verständnislos blinzelte Sebastian in das Licht der Laterne. »Ein Kloster? Wie meint Ihr das?«
»Du wirst morgen in ein Kloster eintreten«, teilte ihm der Kapuzenmann mit. »Als Novize Laurentius Mangold, der sich nach einem rastlosen Leben an der Seite eines Wandergelehrten und Laienpredigers entschlossen hat, sein Leben Gott zu weihen!«
ZWEITER TEIL
Das Kloster der Ketzer JUNI 1527
1
Der Regen trommelte so heftig auf das Brett der halb aufgestellten Fensterluke, als wollte er es aus den Lederschlaufen reißen und in Stücke schlagen.
»Hoffentlich ist das kein schlechtes Omen«, murmelte Sebastian besorgt und spähte hinaus in den Hof. Die Regenschleier tanzten in derart dichten Wirbeln um die Mühle, dass er den nahen Zaun hinter den Holzstapeln nur noch erahnen konnte.
Dabei hatte der Tag, an dem er ins Kloster eintreten sollte, mit einem herrlich sonnigen Morgen begonnen. Gegen Mittag hatten jedoch böige Winde eine Front dunkler Wolken aus Nordwesten herangeführt und seit gut zwei Stunden entlud das Unwetter seine Regenfluten über Passau und dem umliegenden Land.
»Bis du dich auf den Weg zum Kloster machen musst, sind es noch ein paar Stunden hin«, sagte Lauretia zuversichtlich. »Und so ein Frühjahrsschauer hält sich meist nicht lange.«
Sebastian wandte sich kopfschüttelnd von der Fensterluke ab und sah Lauretia an, die mit
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