Das Kloster der Ketzer
angezogenen Beinen auf dem Strohsack der Bettstelle hockte.
»Ich als Klosterbruder Laurentius! Kannst du dir das vorstellen? Mir jedenfalls ist bei diesem Gedanken ganz und gar nicht wohl zumute. Wie ist er bloß auf so eine verrückte Idee gekommen?«
»Vermutlich hat sie ihm in dieser gefährlichen Situation
zugesagt, gerade weil sie so abwegig ist«, erwiderte sie. »Denn dass dich der Domherr und seine Handlanger kaum als Novize in einem Kloster vermuten werden, ist wohl so sicher wie das Amen in der Kirche. Und allein darauf kommt es jetzt an.«
Er verzog das Gesicht zu einer unglücklichen Miene. »Aber ich muss doch so tun, als wäre es mir mit dem Eintritt ins Kloster Ernst! Und ich weiß gar nicht, wie ich mich unter Mönchen verhalten soll und was man von mir erwartet!«
Lauretia lachte. »Nun mach dich nicht selbst verrückt. Immerhin beherrschst du doch Latein und Griechisch, das wird dir vieles erleichtern. Außerdem weißt du nur zu gut, dass von einem Novizen nichts weiter erwartet wird, als dass er demütig und gehorsam ist. Alles andere wird ihm im Laufe der Zeit schon beigebracht. Mit dem Gehorsam wirst du bestimmt einige Schwierigkeiten haben, wie ich mal vermute.« Ihre Augen blitzten spöttisch. »Aber wer weiß, vielleicht gefällt es dir ja unter den Kuttenträgern und du legst nach der Probezeit sogar das Gelübde ab!«
»Ja, rede du nur weiter solchen Unsinn!«, grollte Sebastian. »Mönch zu werden und sich für den Rest seines Lebens Gott zu weihen ist viel mehr als nur eine schwerwiegende Entscheidung. Zum Klosterleben muss man berufen sein...«
»…oder als zweit- oder drittgeborener Sohn aus adligem Hause kommen und den Ehrgeiz haben, möglichst schnell Abt einer mit Ländereien und Gütern reich gesegneten Abtei und damit fast so mächtig wie ein Bischof werden zu wollen«, fügte Lauretia trocken hinzu. »Mal ganz abgesehen von den schlichten Gemütern und den vielen unverheirateten Frauen, denen es allein darum geht, versorgt zu sein und der Familie nicht länger zur Last zu fallen.«
»Das ist auch mir nichts Neues«, sagte Sebastian. »Ich weiß, dass es genug Mönche und Nonnen gibt, die es aus sehr weltlichen
und eigennützigen Gründen in ein Kloster zieht. Schwarze Schafe gibt es nun mal in jeder Herde. Aber meine Eltern haben mich gelehrt, die Menschen nicht über einen Kamm zu scheren.«
»Natürlich gibt es auch viele, die mit wahrer klösterlicher Hingabe Mönch und Nonne sind, sich an die strengen Ordensregeln halten und viel Gutes tun«, räumte sie ein. »Aber all das muss dich doch nicht beschäftigen.«
»Das tut es aber! Wie kann ich es vor meinem Gewissen und Gott verantworten, dass ich als Lügner und Betrüger in ein Kloster gehe und so tue, als fühlte ich mich für ein Leben als Mönch berufen? Und dann auch noch unter einem falschen Namen!«, wandte Sebastian ein, während er in der Kammer ruhelos auf und ab ging wie ein gefangenes Tier in einem Käfig. »Die ganze Geschichte, die ich erzählen werde, ist doch von vorn bis hinten gelogen, weil sie zum Großteil deine Lebensgeschichte ist. Jedes Wort, das aus meinem Mund kommt, wird eine glatte Lüge sein!«
»Du siehst das völlig falsch! Und rede dir das mit dem schändlichen Betrug besser erst gar nicht ein!«, antwortete Lauretia energisch.
»Ich rede es mir nicht ein, es ist so!«
»Nein, es ist nicht so, sondern es scheint dir nur so!«, widersprach sie ihm. »Auf keinen Fall darfst du dich als berechnender Lügner und Betrüger sehen, denn du willst ja keinem Schaden zufügen und wirst es auch nicht tun. Du bist vielmehr ein Verfolgter, jemand in großer Gefahr, der in der Kirche und bei Gott Schutz sucht. Und dieser Schutz steht dir auch zu, zumal es doch ein Kirchenmann ist, der seine Macht dazu missbraucht, um Tod, Elend und Verfolgung über Unschuldige zu bringen. So und nicht anders liegen die Dinge. Sag, stimmt das denn nicht?«
»Ja, irgendwie ist das schon richtig«, gab er zögerlich zu. »Wenn ich doch wenigstens wüsste, für wie lange ich diese Rolle spielen muss. Aber nicht einmal darauf hat mir der Kapuzenmann eine zufrieden stellende Antwort geben können. Ich soll mich dort im Kloster still verhalten, bis er mir eine Nachricht zukommen lässt. Das ist verdammt vage, finde ich!«
»Du musst eben Geduld haben und darauf vertrauen, dass er schon das Richtige tut. Und bisher hast du ja wohl auch keinen Grund, an seiner Zuverlässigkeit zu zweifeln, Sebastian … oh,
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