Das Kloster der Ketzer
Klostertor, dessen Flügel mit Eisenbändern versehen waren und weit aufstanden, bis auf einige
dutzend Fuhrwerklängen genähert hatten, brach Dornfeld sein verbissenes Schweigen.
»Vergiss ja nicht, dass wir uns nicht kennen!«, zischte er durch seinen dichten, verfilzten Bart hindurch. »Ich habe dich nur auf der Landstraße hinter der Stadt aufgelesen und dich aus Freundlichkeit das letzte Stück mitgenommen, weil wir dasselbe Ziel haben! Weder kenne ich deinen Namen noch du den meinigen, hast du verstanden?«
»Seid unbesorgt, Ihr habt nichts von mir zu befürchten«, versicherte Sebastian und wollte sich noch schnell dafür bedanken, dass er sich bei ihm auf dem Hof hatte verstecken und seine schweren Verletzungen auskurieren können.
Aber Dornfeld schnitt ihm sofort das Wort ab. »Spar dir deinen Atem! Wenn du mir danken willst, dann indem du dich nie wieder bei mir blicken lässt! Tust du es doch, kriegst du es hiermit zu tun!« Drohend ballte er die Faust. »Ich habe wegen dir schon genug Blut geschwitzt! Und nun runter mit dir!«
Ohne ein weiteres Wort sprang Sebastian vom Fuhrwerk und blieb hinter dem Wagen zurück. Dornfeld trieb sein Gespann noch einmal kurz an, wohl um nicht mit ihm zusammen am Tor einzutreffen.
Dort trat jetzt ein hagerer Mönch mit dem spitzen Gesicht eines Frettchens und im schwarzgrauen Habit der Zisterzienser in die Durchfahrt.
»Gelobt sei Jesus Christus!«, grüßte der Mönch.
»In Ewigkeit, Amen«, antwortete Dornfeld mit völlig veränderter, freundlicher Stimme und erkundigte sich: »Seid Ihr hier der Portarius, der Pfortenbruder?«
»Ja, der bin ich, Fuhrmann. Was führt Euch zu uns?«
»Haimo Dornfeld ist mein Name, werter Bruder, meines Zeichens Meister und Besitzer einer Sägemühle in Passau. Ich hätte gern Euren ehrenwürdigen Vater Abt gesprochen«,
hörte Sebastian ihn sagen. »Mit großem Bedauern habe ich von Eurem schweren Unglück durch das Feuer erfahren und wollte ihm meine Dienste beim Wiederaufbau Eurer zerstörten Gebäude anbieten. Diese Fuhre ist ein Geschenk und soll Zeichen meines guten Willens sein, Eurem Kloster weitere Lieferungen zu einem überaus günstigen Preis zu offerieren.«
»Unser Herr und Erlöser möge Euch Eure Großzügigkeit vergelten, Meister Dornfeld«, antwortete der Pfortenbruder und bedankte sich mit einem Segenszeichen. »Unser ehrwürdiger Vater Abt Adelphus wird Euch jedoch kaum zu einem Gespräch empfangen können, dafür ist er nach seiner langen Krankheit noch zu schwach. Aber Ihr könnt mit unserem Cellerar 5 , Pater Vitus, sprechen oder besser noch mit Pater Sulpicius, unserem Prior 6 , zumal ich nach ihm nicht erst lange suchen lassen muss. Ihr findet Pater Sulpicius nämlich gleich rechts hinter dem Tor beim Weinhändler Krottmair, der auch gerade mit seinen Fässern eingetroffen ist!« Dabei wies er vage hinter sich in den Klosterhof und der weite Kuttenärmel flatterte um seinen dünnen Arm.
»Verbindlichsten Dank, Bruder Portarius«, sagte Dornfeld zuvorkommend und rollte mit seinem Fuhrwerk in den großen Vorhof der weitläufigen Klosteranlage.
Nun wandte sich der hagere, mausgesichtige Pfortenbruder Sebastian zu, der indessen zögerlich näher getreten war. »Und was führt dich zu uns, junger Mann?«, erkundigte er sich, wäh
rend er ihn mit gefurchter Stirn kritisch musterte. »Wenn es dir um ein Almosen und ein warmes Essen geht, musst du noch eine Weile warten. Erst nach der...«
»Nein, das ist es nicht, was mich zu Euch führt!«, versicherte Sebastian hastig.
»Was ist es dann?«
Sebastian schluckte nervös. »Ich... ich möchte in Euer Kloster eintreten... Ich meine, ich möchte demütig um Aufnahme als Novize bitten, werter Bruder!«
Der Portarius zog leicht die buschigen Augenbrauen hoch und verschränkte die Arme unter der Kutte vor der Brust. »Schau an! Du hast also in dem elenden Sündenpfuhl der Welt dort draußen Gottes mahnende Stimme vernommen und fühlst dich zum Mönchsleben berufen?«
Sebastian beschränkte sich darauf, nur mit einem Nicken zu antworten. Ihm schlug vor Aufregung das Herz bis in die Kehle und seine Hände fühlten sich ganz feucht an. Was war, wenn man ihn erst gar nicht bis zum Abt oder Prior vorließ, sondern ihn schon hier am Tor wieder wegschickte? Und er wusste nicht, ob er eine solche Zurückweisung fürchten oder erhoffen sollte.
»Nun, wenn das dein innigster Wunsch ist, junger Freund, dann wirst du dich zuerst einmal an Pater Scriptoris wenden müssen«,
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