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Das Kloster der Ketzer

Das Kloster der Ketzer

Titel: Das Kloster der Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M Schroeder
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düster fügte er hinzu: »Die Dämonen in seinem Innern müssen ihm mehr zugesetzt haben, als wir wohl alle geglaubt haben! Ihm war es einfach nicht gegeben, den hohen Anforderungen gerecht zu werden, die das monastische Leben an einen Ordensmann stellt.«
    Bruder Sulpicius wischte sich mit dem Kuttenärmel über die schweißfeuchte Stirn. Seine ansonsten stets rosige Gesichtsfarbe war einer auffallenden Blässe gewichen. »Ja, er kann nicht bei Sinnen gewesen sein, als er aus dem Fenster gesprungen ist und seinem Leben ein Ende gesetzt hat!«, stieß er hervor. »Der Teufel muss ihm das eingeredet haben! Nie hätte er diesen Frevel klaren Geistes auf sich geladen.«
    Aufgeregt und bestürzt redeten die Mönche durcheinander und erinnerten einander, was Pachomius seit seinem Eintritt ins Kloster keine Ruhe gelassen hatte. Jeder wusste von den Seelenqualen, die ihr junger Mitbruder im inneren Kampf mit seinen Dämonen gelitten hatte. Und so manch einer erinnerte auch an seine Angewohnheit, sich selbst bis aufs Blut zu gei ßeln, wenn er wieder einmal um sein Seelenheil fürchtete. Und man sprach davon, dass man ihm deshalb auch nicht eine Beerdigung
in gesegneter Erde versagen dürfe, dass er ja zweifellos nicht klaren Verstandes in die Tiefe gesprungen, sondern ein Opfer des Leibhaftigen geworden war.
    Nun trafen auch Bruder Scriptoris und der Abt ein. Der Novizenmeister hielt sich abseits und sagte kein Wort. Indessen sackte der Abt vor dem toten Mitbruder auf die Knie, schloss ihm die Augen und segnete ihn. Er war es auch, der dem Gerede der Männer, dass es mit dem armen Bruder Pachomius ja früher oder später so hatte kommen müssen, mit scharfer Zurechtweisung ein jähes Ende bereitete – zumindest an diesem Ort und zu dieser Stunde.
    »Sorgt dafür, dass man ihn in den Kreuzgang bringt und dort in der Nische für die Totenwache aufbahrt!«, wies Abt Adelphus den Prior an und forderte die Mönche auf: »Und nun kehrt in Eure Zellen zurück und betet für die gequälte Seele unseres Mitbruders, der verwirrten Geistes war, als er sich in den Tod stürzte, und der nun in Gottes unendlicher Gnade ruht! Morgen werden wir ihn mit unserem Segen zu Grabe tragen.«
    Die Menge begann sich schon aufzulösen, als plötzlich der blinde Mönch Lombardus stockschwingend und unsicheren Ganges um die Hausecke kam.
    »Bekenne deine verruchte Tat, du Teufel!«, rief er seinen Mitbrüdern schrill und zugleich mit nuschelndem Tonfall zu, während er zwischen ihnen umherirrte. »Gehe in dich und gestehe, du willfähriger Handlanger des Leibhaftigen! Nicht einmal des Teufels leise Schritte entgehen mir! Bis zum Sonnenaufgang will ich dein Geständnis hören. Hast du dem Teufel bis dann nicht entsagt, wird dich meine Zunge anklagen, Verfluchter! Gehe in dich und gestehe! … Gehe in dich und gestehe!« Dabei schlug er mit seinem Stock nach den Mönchen, die sich gerade zufällig in seiner Nähe befanden. Der Kies, der
unter ihren Sandalen knirschte, wies ihm dabei die Richtung, in die er schlagen musste.
    Der Cellerar machte eine verdrossene Miene. »Dieses Geschrei von Bruder Lombardus hat uns gerade noch gefehlt! Jetzt verliert er offenbar auch noch den letzten Rest Verstand!«, knurrte er voller Ingrimm. »Als ob wir nicht schon genug Scherereien hätten! Bruder Clemens und Bruder Egidius, nehmt Euch seiner an und bringt ihn in seine Zelle! Und wenn er keine Ruhe gibt, soll ihm Bruder Eusebius einen kräftigen Schluck von seinem Schlafmohnsaft einflößen.«
    »Das muss am Vollmond liegen«, raunte Bruder Egidius, um dann zusammen mit Bruder Clemens den blinden Mitbruder beherzt in ihre Mitte zu nehmen und ihn mit sanfter Gewalt zurück ins Haus zu führen.
    Weil Sebastian noch immer wie benommen in unmittelbarer Nähe des Toten stand, fiel der Blick des Priors auch sofort auf ihn, als kurz darauf Bruder Eusebius mit einer Krankentrage auftauchte. »Du hilfst dem Infirmarius, den Toten in den Kreuzgang zu bringen und für die Totenwache aufzubahren!«, trug Bruder Sulpicius ihm auf und hatte es dann selbst sehr eilig, den Ort zu verlassen.
    Sebastian schauderte, als er auf Anweisung von Bruder Eusebius die Beine des Toten ergriff und den Leichnam von Pachomius auf das schmutzige Segeltuch zwischen den beiden Tragestangen wuchtete. Dabei fiel ihm auf, dass die Kutte des jungen Klosterbruders auf der Brust feucht und verschmiert aussah. Zudem waren die Kuttenärmel sowie das Skapulier unter dem Hals aufgefetzt.
    Auch Bruder

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