Das knallrosa Tagebuch: Das knallrosa Tagebuch
so, mal so. Er hat sich damit zufrieden gegeben.
15. Juni
Jeff ist heute achtzehn geworden. Außerdem war Mamas Abschlußzeugnis in der Post. Oma hat einen Kuchen gebacken, und Marsha und Mag waren auch da. Es war sogar ganz nett, bis Papa aufgetaucht ist, einen Sechserpack Bier in der einen und eine Flasche Wodka in der anderen Hand. Anscheinend kam er frisch vom Friseur. Als ich ihn ansah, merkte ich, daß er nicht sauer war. Er hatte eine Scheißangst.
Mama hat ihm gesagt, daß wir gerade Jeffs Geburtstag feiern. Aber Papa meinte: »Tut mir leid, mein Junge, aber ich sauf mir jetzt einen an. Dafür Kannst du dich bei deinem kleinen Bruder bedanken.« Und er hat auf mich gezeigt. Ich war sprachlos. Mag hat unter dem Tisch meine Hand genommen und sie gedrückt. Doch dann ist ein Wunder geschehen: Mama ist aufgestanden und sagte: »Schieb deine Sauferei nicht auf Ben.«
Es sah irgendwie Komisch aus: Mama mit ihren eins sechzig hat sich vor Papas eins neunzig aufgebaut. Sie nahm ihm den Wodka weg und sagte: »Ben hat ziemlichen Mist gebaut, aber dafür kannst du ihm nicht die Schuld geben.« Dann hat Mama noch gemeint daß andere Leute schließlich auch viel einstecken müssen, ohne daß sie deshalb gleich zu trinken anfangen. So sei eben das Leben, und man darf sich nicht gleich entmutigen lassen. Allmählich sei es Zeit, daß Papa endlich erwachsen wird und sich der Wirklichkeit stellt. Es gebe Tatsachen - manche können wir ändern und manche nicht. Mama hat diese Tatsachen zwar nicht beim Namen genannt, aber ich glaube, alle wußten, was sie meinte. Jeder von uns muß beim anderen gewisse Dinge akzeptieren.
Dann sagte Mama, Jeff solle die Torte anschneiden. Er hat Mag und Marsha ein Stück angeboten. Beide haben eins genommen. Papa stand nur da und hat uns beobachtet. Aber hauptsächlich hat er Mama angesehen. Es war, als wollte er sie auf die Probe stellen, wieviel sie sich zu sagen traut. Mama hat wortlos ihren Kuchen gegessen. Einmal sah es aus, als wollte sie weiterreden, aber dann hat sie nur auf ihren Teller gestarrt. Papa hat seine Wodkaflasche genommen. »Alles Gute zum Geburtstag«, sagte er zu Jeff. Dann hat er mich angesehen wie einen hoffnungslosen Fall und ist mit seinem Vorrat ins Schlafzimmer verschwunden. Wahrscheinlich will er sich manchen Tatsachen lieber stellen als anderen.
Reverend Silk hat Oma von einem Kostenlosen Ferienlager für Jugendliche namens Camp Sunshine erzählt. Es liegt irgendwo östlich von hier. Verschiedene Kirchen steuern Geld bei, damit Kinder aus armen Familien hinfahren können. Reverend Silk hat zwar nichts von »armen Familien« erzählt, aber es muß so sein, weil es kostenlos ist. Es ist so was wie ein Jugendverband. Das Ferienlager dauert von Ende Juni bis Mitte August, also sieben Wochen. Oma fragte mich, ob ich hinfahren will. Sie muß Reverend Silk Bescheid geben, damit er den Antrag stellen kann. Oma meinte, daß es eine großartige Gelegenheit ist, über die ich mich freuen sollte. Zuerst wollte ich »nein« sagen, weil ich überhaupt Keine Lust hatte. Doch dann überlegte ich mir, daß ich so wenigstens eine Weile aus Tranten Township rauskomme und neue Leute kennenlerne. Deshalb habe ich zugestimmt.
Oma schien wirklich froh darüber zu sein. Sie hat Reverend Silk angerufen und gesagt, daß ich mitfahre. Danach umarmte sie mich und sagte: »Du wirst als neuer Mensch zurückkommen. Das weiß ich genau.« Habe nichts darauf geantwortet. Sie hat sich so gefreut.
17 Juni
Habe heute Mrs. Silver im Laden getroffen. Ich dachte, daß sie nichts mit mir zu tun haben will, aber sie hat mich gefragt, wie es mir geht ich war so überrascht, als sie plötzlich vor mir stand, daß mir die Sprache wegblieb. Ich nuschelte »in Ordnung« und habe mich dann nach Aaron erkundigt. Sie hat ein Gesicht gezogen und »okay « gesagt.
Dann fragte sie mich nach der Schule. Ich habe ihr meine Standardantwort gegeben: »Kann nicht klagen.« Sie nickte, als ob sie mich verstanden hätte. Dann wollte ich wissen, wo Aaron jetzt wohnt. »Boston«, sagte sie und blickte dabei auf das Regal mit den Süßigkeiten. Als ich fragte, wann er zurückkommt, hat sie ein seltsames Gesicht gemacht und gemeint: »Aaron kommt nicht mehr zurück.«
Ich tat, als hätte ich sie nicht verstanden. Am liebsten hätte ich mich umgedreht und wäre rausgerannt, um den Rest nicht hören zu müssen. Aber meine Füße haben sich nicht von der Stelle gerührt. Sie hat weitergeredet. Sie hat mir erzählt, sie hätte
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