Das knallrosa Tagebuch: Das knallrosa Tagebuch
Adern fließt. Es ist in Ordnung, wenn wir eine Zeitlang sauer aufeinander sind, doch irgendwann muß wieder Schluß damit sein.
Ich traute meinen Ohren nicht. Vielleicht ist Jeff nicht ganz so blöd, wie ich angenommen habe.
24. Juni
Jeff ist weg. Wir haben ihn heute zum Bus gebracht. Die ganze Fahrt war er sehr ruhig und ernst. Er tat zwar ganz locker, aber ich habe ihm angemerkt, wieviel Angst er hatte. Als wir am Busbahnhof waren, bat Jeff uns zu warten, bis der Bus abfährt, »natürlich«, sagte Mama. Es war komisch. Uns ging soviel im Kopf rum, doch wir haben alle geschwiegen. Schade, daß wir nicht Gedanken lesen konnten, denn unsere Zungen waren offenbar wie gelähmt. Papa laberte irgendwas, daß Jeff sich nicht übers Ohr hauen lassen soll. Ansonsten standen wir nur stumm da. Jeff und Marsha haben sich hin und wieder was zugeflüstert. Aber ich konnte kein Wort verstehen.
Dann kam Jeffs Bus. Ich dachte schon, daß Mama ihn überhaupt nicht abfahren läßt. Sie hat Jeff länger umarmt als Marsha. Natürlich hat Marsha den längeren Kuß gekriegt. Jeff umarmte Oma und küßte sie, und danach hat Oma ihm ihre Kette mit dem goldenen Kreuz in die Hand gedrückt. Sie versuchte zwar, es heimlich zu tun, aber wir haben es alle gesehen. Zuerst hat Jeff ein verdutztes Gesicht gemacht, aber dann hat er das Kreuz eingesteckt und Papa und mir die Hand geschüttelt. Papa wirkte echt verlegen, als wüßte er nicht, ob er Jeff umarmen soll. Ich habe mich dasselbe gefragt. Aber da Jeff keine Anstalten machte, einem von uns näher zu kommen, konnte es gar nicht dazu kommen.
Jeff ist schnell in den Bus gestiegen. Als er sich hinsetzte und uns durch das Busfenster anschaute, fand ich, daß er sehr alt aussah. Fast wie fünfundzwanzig oder so. Dann fuhr der Bus ab, und wir haben wie wild gewinkt. Ich habe hoch zu Marshas Hand geschaut und in der Sonne was Goldenes blitzen sehen. Als sie die Hand wieder runternahm, habe ich Jeffs Verlobungsring erkannt. »Nächsten Juni«, sagte sie. Auf dem Heimweg hat Marsha den Ring nicht mehr erwähnt. Wir haben uns nur angesehen und gelächelt. Ab liebsten hätte ich ihr eine Unmenge Fragen gestellt. Zum Beispiel, warum sie ihre Meinung geändert hat. Anscheinend hat niemand sonst den Ring bemerkt. Oma und Papa redeten über die neue Brücke, die in Tranten gebaut werden soll. Mama schaute schweigend aus dem Fenster. Als wir Marsha zu Hause absetzten, flüsterte sie mir ins Ohr: »Jeff und ich wollen es geheimhalten. Okay?«
Ich fand das auch die beste Methode. Es bringt nichts, jetzt schon die Pferde scheu zu machen. Wer weiß, was bis nächstes Jahr passiert? Oder bis morgen? In letzter Zeit ist das Leben ein einziges großes Fragezeichen. Vielleicht hat Marsha deswegen »ja« gesagt.
23:09
Hatte eben einen schrecklichen Alptraum. Jeff befand sich in einer Menge uniformierter Männer und wußte nicht mehr, wie er herauskommt. Ich habe vom Himmel aus auf ihn runtergeschaut und ihm zugerufen: »Nach links! Nach rechts!« Aber Jeff hörte mich nicht und hat jedesmal das Gegenteil gemacht. Plötzlich ist er in ein Loch gefallen, und ich habe ihn nicht mehr gesehen. »Jeff! Jeff!« schrie ich, doch er war verschwunden. Ich bin aufgewacht und habe ins untere Bett geschaut. Er ist wirklich weg.
Es ist komisch. Jetzt ist er erst seit ein paar Stunden fort, und schon vermisse ich ihn. Das hätte ich nie erwartet. Ich hatte immer gedacht, ich würde Luftsprünge machen und Jeff vergessen, wenn ich endlich mein Zimmer für mich allein habe. Aber ich muß ständig an ihn denken.
25. Juni
Heute früh ist Mama in mein Zimmer gekommen. Sie sah aus, als wollte sie mit mir reden. Sie hat gesagt, daß sie Jeff furchtbar vermißt. Ich antwortete, daß es mir genauso geht.
Dann fing sie damit an, wie sehr sie versucht hat, sich »damit« abzufinden. Aber sie kann nicht. Es kommt ihr so unnatürlich vor. Sie sagte, sie versucht jetzt gar nicht mehr, es zu verstehen. Sie hat es aufgegeben. Doch sie liebt mich trotzdem. Als Jeff abgefahren ist, mußte sie daran denken, daß ich auch bald weggehe. Und vorher wollte sie es mir noch sagen.
Aus irgendeinem Grund war ich glücklich über dieses »Ich liebe dich trotzdem«. Vielleicht hat sie soviel durchgemacht, daß sie jetzt endlich die Kraft hat, es auszusprechen. Auf einmal wurde mir klar, wieviel Mut sie das gekostet hat. Sie könnte mich genausogut hassen. Oder mich rausschmeißen und sagen, daß sie mich niemals Wiedersehen will. Aber sie hat sich anders
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