Das knallrosa Tagebuch: Das knallrosa Tagebuch
entschieden.
Dann habe ich begriffen, daß Mama in letzter Zeit überhaupt ganz schön mutig gewesen ist: die Schule, der Führerschein, Chuck, Papa. Und Carol. Und Jeff. Und ich.
Manchmal hat sie bestimmt schreckliche Angst gekriegt und sich nach Hilfe gesehnt. Doch egal, wohin sie auch geschaut hat, sie war allein. Ich habe sie immer für so schwach gehalten. Und dabei ist sie die Stärkste von uns allen.
26. Juni
Papa hatte heute abend einen Unfall. Er hat im Wohnzimmer geraucht und die Zeitung gelesen. Dabei ist er eingeschlafen, und die brennende Zigarette ist auf die Zeitung gefallen, die auf dem Boden lag. Oma und ich saßen gerade in der Küche, als wir den Rauch rochen. Wir sind sofort mit dem Feuerlöscher reingestürmt. Es war echt schräg. Papa war so betrunken, daß er gar nicht gemerkt hat, daß einen Meter von ihm entfernt der Teppich brannte. Schräg und beängstigend.
Nachdem Oma das Feuer gelöscht hatte, haben wir Papa ins Bett gesteckt. Er ist kurz aufgewacht und hat ein bißchen gestöhnt, aber nichts gesagt. Als Mama heimkam und den Rauch roch, hat sie die Panik gekriegt. Ich hörte, wie sie in der Küche Oma angeschrien hat: »Ist Ben in Ordnung? Ist Jonathon in Ordnung?« Ich ging in die Küche, und sie lief auf mich zu und hat mich umarmt. Ich war so überrascht, daß ich erst nicht wußte, was ich tun soll. Dann habe ich sie auch umarmt.
Später hat Mama eine Frau namens Edith angerufen. Ich glaube, sie hat was mit den Anonymen Alkoholikern zu tun. Mama wollte wissen, wann die Sitzungen stattfinden und ob man sich vorher anmelden muß. Während sie am Telefon war, bin ich in mein Zimmer gegangen und habe einen kurzen Brief an Jeff geschrieben, damit er weiß, was passiert ist. Der Brief fing folgendermaßen an: »Lieber Jeff, heute hat Papa fast die Wohnung abgebrannt.«
Jeff wollte doch, daß ich ihn auf dem laufenden halte.
28. Juni
Eben war Mag hier. Sie hat mir geholfen, für Camp Sunshine zu packen. Sie macht sich Sorgen, daß ich als religiöser Fanatiker zurückkomme und nur noch über Gott rede. Ich sagte, ich werde braungebrannt zurückkommen, mehr nicht. Aber sie war noch immer nicht überzeugt. Sie drohte mich zu verprügeln wenn ich anfange, Bibelverse zu zitieren.
»Wenn ich anfange, Bibelverse zu zitieren, verprügle ich mich selber«, meinte ich.
Wir haben alle Sommerklamotten eingepackt, die ich besitze: drei Shorts und fünf T-Shirts. Dann haben wir uns hingesetzt und geredet. Mag hat ihren Sommer schon voll verplant. Sie wird bei ihren Großeltern wohnen und dort in der Nähe in einer Dairy-Queen-Eisdiele arbeiten. Ihr Großvater hat ihr den Job besorgt. Die ersten paar Tage wird Mag angelernt - wie man Eiswaffeln in Schokolade taucht, Eisshakes macht und so weiter. Sie freut sich schon darauf. Sie sagt, das ist ihr erstes selbstverdientes Geld.
Seit mit Scott Schluß ist, sucht Mag einen neuen Typen. Ihre Großmutter meinte, ihr zukünftiger Chef wäre wirklich niedlich. Das wird sich zeigen. Ich habe schon mal mit Mags Großmutter gesprochen. Sie findet auch Lawrence Welk »wirklich niedlich«. Ich kann mir gut vorstellen, wie Mags Chef aussieht. Als ich Mag daran erinnert habe, sagte sie: »Oma meint es doch nur gut.«
Dann fragte mich Mag, ob ich mir auch einen romantischen Sommer machen werde. »Kommt nicht in Frage!« habe ich gesagt. Mein Leben wird gerade wieder ein bißchen einfacher. Also werde ich auf Nummer sicher gehen und meine Gefühle den Sommer über unter Verschluß halten. Nein. Für den Rest des Jahres. Mag hat versucht, mich umzustimmen. Sie gab mir ein Päckchen in Seidenpapier und sagte, ich soll es später aufmachen. Dann ist sie aufgestanden. Wir haben uns umarmt und auf die Wangen geküßt. »Laß dich nicht unterkriegen, Ben«, sagte sie. »Du dich auch nicht«, antwortete ich. Dann ist sie gegangen. Ich habe ihr durchs Fenster nachgesehen. Sie ist immer kleiner geworden. Plötzlich hat sie sich umgedreht, zu meinem Fenster aufgeschaut und gewinkt. Obwohl ich nicht glaubte, daß sie mich sehen konnte, habe ich zurückgewinkt.
18:26
Habe gerade Mags Geschenk aufgemacht. Es ist eine grüne Badehose. Daran hängt ein Zettel mit der Aufschrift: »Brich diesen Sommer nicht zu viele Herzen. Alles Liebe, Mag.« In den Stoff sind kleine Herzchen eingewebt. Sie sind so winzig, daß man sie nur erkennt, wenn man genau hinschaut.
Ich vermisse Mag jetzt schon.
29. Juni
Mama fängt morgen bei Plumbco an. Sie ist schon ganz aufgeregt. Deshalb kann sie
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