Das knallrosa Tagebuch: Das knallrosa Tagebuch
Artikel heute im Lesesaal gelesen. Er findet ihn »aussagekräftig« und will ihn als Titelgeschichte für nächste Woche nehmen. Am Freitag besuche ich ihn und helfe ihm beim Tippen. Als es gongte, ist Aaron zum Nachsitzen gegangen. Ich habe ihn zum Zimmer begleitet, wo Duff Wache stand. Aaron hat mir der linken Hand salutiert und ist reinmarschiert. Duff warf einen finsteren Blick auf mich und knallte die Tür zu. Ich habe so eine Ahnung, daß Aaron bald wieder in der Scheiße steckt. Gerade ist Jeff ganz aufgeregt nach Hause gekommen. Er sagt, er weiß jetzt, was er im Hauptfach studieren will. »Wirtschaft ist ein Fach mit Zukunft«, sagt er. Ich habe mir angehört, wie er sich über die hohen Gehälter von Managern ausließ und darüber, was für tolle Büros sie haben. »Muß man denn keine Bücher lesen, wenn man Betriebswirtschaft studiert?« habe ich dann gefragt.
Zuerst glaubte Jeff, ich will ihn verarschen, aber ich habe es ernst gemeint. »Was soll das?« wollte er wissen. Ich antwortete, meines Wissens hätte er in diesem Jahr nur ein einziges Mal ein Buch aufgeschlagen, und zwar für sein Referat über die Pygmäen in Afrika. Er hat ein Bild mit nackten Zwerginnen, die um ein Lagerfeuer tanzen, aus »National Geographie« kopiert und es aufs Deckblatt geklebt. Mrs. King hat einen Anfall gekriegt.
Jeff wurde stinksauer. »Na und?« fragte er. Da ich dachte, daß er mir gleich eine klebt, meinte ich:
»Schon gut. Du wirst bestimmt mal ein ganz toller Manager.« Er hat mich angeblafft und ist rausgegangen. Als ich ins Wohnzimmer kam, blätterte er gerade im Wirtschafts-Vorlesungsverzeichnis des Snyder College.
Vielleicht hätte ich den Mund, halten sollen.
20:34
Vorhin hat Aaron angerufen. Als er »Ich bin's« sagte, ist mir ganz warm geworden. Ich fragte, wie es heute beim Nachsitzen war, und er erzählte, Duff hätte es diesmal auf die weiche Tour versucht und ihn ganz freundlich gefragt, warum sie denn keinen Kompromiß finden könnten. »Es gibt keine Kompromisse", hat Aaron ihm geantwortet. Duff hat geseufzt und »Ich geb's auf« gesagt. »Er versucht, mich zu brechen, aber da hat er sich geschnitten«, meinte Aaron. Ich habe mir dabei Aarons Gesicht vorgestellt und mich gut gefühlt.
4:59
Habe gerade von Aaron geträumt. Er lag neben mir und schlief fest. Er sah aus, als warte er auf etwas. Ich habe angefangen, ihm mit den Fingern übers Gesicht zu streichen. Habe sein Grübchen, seine Nase, seine Wangen, seine Stirn und sein Kinn angefaßt. Dann habe ich sein Gesicht abgeküßt. Versucht, es zu verschlingen. Konnte gar nicht genug bekommen. Habe mir vorgestellt, wie es wäre, in dieses Grübchen einzutauchen und nie wieder rauszukommen. Ich habe sein Haar gestreichelt.
Ich wollte mehr, aber Aaron ist den ganzen Traum über nicht aufgewacht. »Wach auf, Aaron, wach auf«, habe ich dauernd gesagt, aber er machte einfach nicht die Augen auf. Ich habe ihn geohrfeigt doch nichts wirkte. Auf einmal spürte ich lauter Blicke auf mir. War es Mama? Oma? Jeff? Mr. Silver? Mrs. Silver? Ich schämte mich entsetzlich. Schließlich gab ich es auf, Aaron zu wecken. Zwang mich statt dessen selbst zum Aufwachen.
War das jetzt ein Traum oder ein Alptraum?
5. März
Ralph und Lesly haben sich heute ununterbrochen angeschmachtet. Wahrscheinlich hat Ralphs Mutter ihn nach seinem letzten Anfall die ganzen Februarferien nicht aus dem Haus gelassen. Lesly hat ihn fast jeden Tag besucht, um zu schauen, wie es ihm geht. Sie brachte ihm Bücher und Zeitschriften mit und unterhielt sich stundenlang mit ihm. Beim Mittagessen hat mir Lesly alles erzählt. Anfangs hat ihr Ralph einfach nur »leid getan«, aber nach einer Weile fing sie an, sich auf die Besuche bei ihm zu freuen. »Er hat mich gebraucht«, sagte sie. »Und es ist toll, wenn einen jemand braucht.«
Heute morgen im Bus hat Ralph ihr ein Buch mit Liebesgedichten geschenkt und sie gefragt, ob sie mit ihm »gehen« will. Sie war ganz aus dem Häuschen. Sie hat mir das Buch gezeigt. Beim Durchblättern sah ich, dal Ralph verschiedene Stellen unterstrichen hat. »Jetzt kenne ich Ralph schon so lange, und bis jetzt fand ich ihn noch nie so attraktiv«, hat Lesly mir ins Ohr geflüstert. Ich gab ihr das Buch zurück und habe Aaron angeschaut, der mir gegenübersaß; eine Banane verschlang und das »Time Magazine« las. Ich weiß, was Lesly empfindet.
6. März
Seit Ralph und Lesly ein Paar sind, ist Ralph wie ausgewechselt. Heute hat er doch tatsächlich in der
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