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Das Knistern in den Sternen: Roman (German Edition)

Das Knistern in den Sternen: Roman (German Edition)

Titel: Das Knistern in den Sternen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jón Kalman Stefánsson
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ja, er hofft – aber es gibt keine Barmherzigkeit in dieser Welt, der Film ist zu Ende, sie verlassen das Kino.
    Zu seiner großen Überraschung ist draußen nicht das Ende der Welt angebrochen. Die Snorragata ist nicht zum Trawler geworden, der davonfährt, die Karlagata führt nicht nach Norden bis in die Hunavatnssysla, die Häuserreihen stimmen kein einhelliges Hohngelächter an, und da ist sogar der Himmel. Er bückt sich unwillkürlich und hält sich den schmerzenden Kopf. Das gibt sicher eine Beule. Sie spazieren über den Rasen von Klambratun, reden über den
    Film, und er stimmt allem zu, was sie sagt. Niemand hat einen Gang wie sie, nein, er hat noch nie ein Mädchen solche Schritte machen sehen. Dann sind sie in Skaftahlicð angekommen, bleiben unter dem Küchenfenster stehen, aus dem sie ihn vor kaum erst zweitausend Jahren angesprochen hat. Er sagt, er sei Maurer, was natürlich eine Übertreibung ist, denn er ist ja noch in der Lehre und will das gerade richtig stellen, da platzt es aus ihm heraus: »Aber ich werde alles, was du willst!«
    Darauf küsst sie ihn auf die Wange. Einfach so, und ihr warmer Atem flüstert ihm ins Ohr: »Und willst du mich dann einmauern?«
    Damit verschwindet sie im Haus.
    Lässt ihn einfach so stehen.
    Und der Himmel ohrfeigt ihn den ganzen Weg nach Hause.

Ei – jei – jei!
    Als meine Großmutter den Satz murmelt, auf dem meine Existenz beruht, sitzt meine Mutter am Küchentisch und schreibt ihrer Schwester einen Brief. Zunächst berichtet sie darin von ihren Wochen auf See, dann wird ein ganzes Blatt der Beschreibung ihrer gut einjährigen Tochter gewidmet, meiner Halbschwester, die von Anfang an bei Großmutter und Großvater aufwuchs.
    »Liebe Schwester, ich habe Vater nach Oma und Opa ausgehorcht. Dem Ärmsten fiel es sichtlich nicht leicht. Du hast wahrscheinlich nicht gewusst, dass die beiden anfangs in einer Dachmansarde in der Vesturgata gewohnt haben. Das war sicher ein heißer Sommer, und damit meine ich nicht das Wetter. Denk nur, unsere Oma! Sie scheint noch ein paar weitere Geheimnisse in petto zu haben, denn vor einigen Tagen ging ich mit ihr auf den Friedhof, und da legten wir Blumen auf das Grab einer Frau, die vor bald fünfzig Jahren gestorben ist, und ich musste Oma versprechen, das Grab weiter zu pflegen, wenn sie einmal nicht mehr sein wird. Die Geschichte dieser Frau habe ich nicht herausbekommen, doch Oma versprach, mir im Lauf der Zeit ›alles‹ anzuvertrauen. Aber, Schwester, in ein paar Tagen gehe ich nach Westen in die Fjorde, um im Fisch zu arbeiten, in einer Fischerhütte zu wohnen und vor Müdigkeit glasige Augen zu bekommen, dafür aber auch eine Menge Geld zu verdienen. Erst nach einem Sechzehn-Stunden-Tag werde ich mich hinlegen dürfen und dann von Fisch, Fisch und noch mal Fisch träumen; doch dann, wenn es Frühling wird, Schwester, komme ich zu dir!«
    Dann komme ich zu dir. Ihre Schwester lebt seit gut zwei Jahren in Prag, der Hauptstadt der Tschechoslowakei, einem Land, das von der Erdoberfläche verschwunden ist wie ein »Mit-vollem-Mund-spricht-man-nicht«-Lutschbonbon, denn alles ändert sich, und ich glaube, es liegt vor allem an der Zeit: Staaten, Ereignisse, Menschen und Süßigkeiten verschwinden in dem, was man Vergangenheit nennt, und knüpfen sich dort mit unzerreißbaren Banden aneinander: Du denkst an »Mit-vollem-Mund-sprichtman-nicht«-Lutschbonbons, und schon spaziert Breschnew zur Tür herein.
    Prag ist eine alte Stadt, in ihr leben dunkelhaarige Geiger und lächelnde Barkeeper, und die Dunkelheit bricht mit dem Gewicht eines Schneebretts herein. Da steht ein Eisenbett unter einer so starken Schräge, dass sich der Geiger den Schädel einschlägt, wenn er zu plötzlich aufsteht. »Dann sinkt er in meine Arme wie ein gefällter Held«, schreibt die Schwester. In Prag gucken einem Tauben in die Fenster, und die Sprache ist so fremd, dass sie nicht einmal Wörter für die Esja oder die Solvallagata kennt, und trotzdem, oder gerade deswegen, möchte meine Mutter dorthin reisen, wenn sie erst unter steilen Berghängen genächtigt und viel Geld verdient hat. Sie möchte mit pochendem Gewissen ihre kleine Tochter küssen, Oma und Opa umarmen und dann in die Welt fahren, die aus den Briefen ihrer Schwester ersteht. Doch überall waltet das Schicksal mit seinen langen Fingern, die sich stets einmischen: Großmutter lässt den Satz fallen, der eine Welt auf dem Rücken trägt, der Brief verstummt für drei Wochen, und bald

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