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Das Knochenhaus

Das Knochenhaus

Titel: Das Knochenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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jener, die kaum besser gebildet waren als ich.« Er schaute nacheinander jeden in der Runde am Tisch in die Augen und beendete seine Erklärung mit den Worten: »Es tut mir leid, Brüder, wenn meine Rede Euch beleidigt. Ich bitte Euch demütig um Nachsicht.«
    »Das ist Unsinn!«, rief Roger Bacon. »Alle Gelehrten sind Pilger auf ein und derselben Reise. Einige mögen sich früher auf den Weg begeben haben und sind deshalb ein wenig weiter vorangekommen.« Auch er ließ seinen Blick über die Anwesenden gleiten. »Als pilgerndes Volk maßen wir uns nicht an, uns gegenseitig zu richten, sondern akzeptieren alle gleichgesinnten Reisenden in unserer Gesellschaft als Freunde auf dem gemeinsamen Weg.«
    Die durch Bacons Worte auf subtile Weise gescholtenen Studenten bekräftigten diese Ansicht, indem sie den Neuankömmling begeistert in ihrer Mitte aufnahmen: Sie brachen in herzlichen Jubel aus, prosteten Douglas zu und tranken durstig aus ihren Bierkrügen.
    »Meinen herzlichen Dank«, sagte Douglas und ahmte seine Tischgesellen nach, indem er sich mit dem Ärmel den Mund abwischte. »Ich bin Euer Diener.«
    »Da unsere Gesellschaft jetzt komplett ist«, verkündete der Magister, »sollten wir gemeinsam das Brot brechen und unsere Gedankengänge dem Allmächtigen anempfehlen – möge unsere Gelehrsamkeit ihm zum Ruhme gereichen.«
    »Amen!«, riefen die Studenten. »Und nun zum Abendessen.«
    Drei der jüngeren Mitglieder dieser Runde wurden zur Küche geschickt, um dort das Essen zusammenzusuchen und es zum Tisch zu bringen. Begleitet von viel Lärm marschierten sie fort und kehrten kurz darauf mit einer Ansammlung von Geschirr zurück, das mit gebratenem Fleisch, kleinen Brotlaiben und einer Vielzahl von Gemüsebreien gefüllt war. Holzlöffel wurden herumgereicht, und alle stürzten sich mit Feuereifer auf das Essen. Douglas war froh, dass er daran gedacht hatte, ein eigenes Messer mitzunehmen, denn in einer Zeit, wo von jedem erwartet wurde, dass er sich mit einem eigenen Essbesteck versorgte, erstreckte sich die Gastfreundschaft des Wirtshauses nicht über die gemeinschaftlichen Holzlöffel hinaus.
    Bald schon setzten Tischgespräche ein, denen Magister Bacon vorstand; es klang wie ein geselliges Summen und Brummen. Douglas beobachtete die Verhaltensweisen und die kulturellen Ausdrucksformen seiner Tischgenossen. Die Kameradschaft war echt und schien tief verwurzelt zu sein – ebenso wie die große Wertschätzung, die sie für ihren bewunderten Professor empfanden. Wenn Bruder Bacon sprach, wandten sich alle Augen ihm zu, und die Gedanken aller beugten sich seiner geistigen Führung. Ihm gehörte bei allen Diskussionen das letzte Wort. Wie man bei Akademikern wohl erwarten konnte, bildeten die Gesprächsthemen am Tisch einen feurigen Eintopf: Chemie, Physik, Mathematik, Astronomie – und das alles vermischt mit schwer verdaulichen Klumpen aus der Philosophie und Theologie. Das meiste davon überstieg Douglas’ Fähigkeiten, so etwas verdauen zu können. Wie schwer eine geistige Speise jedoch auch sein mochte, der Magister war stets in der Lage, jeden Gegenstand weiter zu erläutern oder ihn auf einer höheren oder differenzierteren Stufe darzulegen. Douglas fühlte, dass die Gedankenwelt dieses Mannes in ihren Ausmaßen und ihrer Perfektion geradezu atemberaubend war. Und obwohl er nicht imstande war, den Feinheiten der Ausdrucksweise zu folgen, konnte er doch die Geschmeidigkeit des Geistes bewundern, der solche Gedanken und Worte hervorbrachte.
    Als schließlich die Studenten zu ihren Abendgebeten entlassen wurden – lange nachdem man das Geschirr weggeräumt und die Bierkrüge wieder und immer wieder gefüllt hatte –, wandte sich der Magister schließlich seinem neuesten Gast zu. »Jetzt, mein Freund, haben wir etwas Zeit für uns. Wollt Ihr mich zu meinem Laboratorium begleiten, wo wir ein privateres Gespräch führen können?«
    »Natürlich. Ich würde mich geehrt fühlen.«
    Zu dritt verließen sie das Gasthaus und gingen hinaus in die Nacht. Sie schritten durch die Stadt, die nur unregelmäßig von den an Straßenecken aufgestellten Fackeln und Kohlenpfannen beleuchtet wurde. Ab und an sah man Stadtbüttel, eine Art lokale Miliz, deren Aufgabe es war, die Gemeinschaft zu behüten, den Frieden aufrechtzuerhalten und die königlichen Gesetze durchzusetzen. In dieser Nacht war es ruhig in der alten Stadt, und die beiden ehrbaren Männer – die von einem aufsässigen Schatten in Gestalt von Snipe

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