Das Knochenhaus
Kutsche.
»Ist außerdem damit zu rechnen, dass jemand von Euren Tagelöhnern uns begleitet?«, fragte sie, als sie sich ihm gegenüber auf dem Sitz niederließ.
»Nicht jetzt. Sie werden sich später mit uns dort treffen.« Er klopfte gegen das Dach der Kutsche; der Fahrer knallte mit der Peitsche, und mit einem Ruck geriet das Gefährt in Bewegung. Burleigh beäugte sie skeptisch. »Nur dann erlaube ich den Männern mitzukommen, wenn sie von Nutzen sein können. Eigentlich hätte ich nicht zulassen dürfen, dass Ihr mich überredet, Euch zu erlauben mitzukommen.«
»Oh ...« Sie schürzte die Lippen zu einem hübschen Schmollmund. »Und wo bliebe der Spaß? Es ist so lähmend und langweilig, wenn Ihr fort seid. Und Ihr vergesst, dass Ihr versprochen habt, mich alles zu lehren, was es über das Ley-Springen zu wissen gibt. Ich meine, Ihr solltet Euch an dieses Versprechen halten.«
»Nun, seht zu, dass Ihr das Beste aus dem Ausflug macht«, grollte er. »Wir werden nicht sehr lange dort sein.«
»Warum gehen wir dann überhaupt?«, entgegnete sie herausfordernd. »Wenn Euch all das so viel Mühe macht, was soll, bitte schön, das dann bezwecken?«
»Weil es sich um eine Besorgung von einiger Wichtigkeit handelt«, erwiderte er zunehmend gereizt. »Wenn Ihr es unbedingt wissen müsst – ich habe die Anfertigung eines besonderen Instruments in Auftrag gegeben und gehe nun dorthin, um es abzuholen. Schnurstracks hinein und schnurstracks wieder heraus.«
Sie hatte ihn weit genug getrieben; es war Zeit, sich zurückzuziehen und ihm das Feld zu überlassen. »Die kleinste Möglichkeit, solch eine fantastische Stadt zu sehen, stellt mich mehr als genug zufrieden«, sagte sie und beglückte ihn mit einem Lächeln. »Ich bin sicher, dass es sich lohnen wird – gleichgültig, wie viel Zeit wir auch dort verbringen werden.«
»Wir werden sehen«, meinte er und schien nun etwas besänftigt zu sein. Bezaubert von ihrem charmanten, unschuldigen Lächeln, fügte er hinzu: »Vielleicht können wir doch etwas mehr zustande bringen. Der Palast ist beeindruckend, das Rathaus ebenso. Dann gibt es dort natürlich den Kaiser selbst – Rudolf ist ein großer Liebhaber der schönen Dinge des Lebens, sehr herrschaftlich, äußerst großmütig und auch ein völliger Einfaltspinsel. Euch wird es gefallen, ihm zu begegnen, wenn sich für Euch die Gelegenheit ergeben sollte. Und wisst Ihr es schon? Es gibt jetzt ein Kaffeehaus am Altstädter Ring. Das erste in Europa, glaube ich.«
»Ich meine, es gibt Kaffeehäuser auch in London. Ja, ich bin mir dessen sogar sicher. Natürlich habe ich noch nie solch eine Einrichtung persönlich besucht, aber ich würde es von ganzem Herzen lieben, solch einen Ort zu sehen und etwas von diesem Kaffee zu probieren.«
»Wir werden sehen«, stellte er in Aussicht. »Wir werden sehen. Habt Ihr Kleider zum Wechseln mitgenommen, wie ich es Euch gesagt habe? Wir dürfen Euch nicht so gekleidet wie jetzt durch Prag herumschlendern lassen.« Er meinte damit ihre Reisekleidung, die aus einem einfachen graubraunen Leinenkleid und hohen Stiefeln bestand. »Ihr könnt nicht bei Hofe vorgestellt werden, wenn Ihr ausseht wie ein Milchmädchen.«
»Selbstverständlich«, stimmte sie ihm fröhlich zu. »Entsprechend Eurer Anweisung habe ich Seide und Spitze eingepackt, die für genau solch einen Anlass geeignet sind.«
Wenig später erreichten sie den ersten Ley, und Burleigh schickte die Kutsche weg. Der erste Sprung ging auf übliche Weise vonstatten; und anschließend erlebte Haven, auch wie üblich, das intensive Gefühl der Desorientierung und die Übelkeit, die durch eine so plötzliche und heftige Dislokation hervorgerufen wurden. Sie fand sich in einem ländlichen Gebiet wieder: Es schien sich um ein bewaldetes Flusstal in irgendeiner abgelegenen Region zu handeln. Nirgendwo waren Anzeichen einer menschlichen Besiedlung zu erkennen.
»Wo sind wir?«, erkundigte sie sich, als sie wieder sprechen konnte.
»Ich habe nicht die geringste Ahnung«, erwiderte Burleigh ungeduldig. »Seid Ihr endlich fertig? Wir müssen ein gutes Stück gehen.«
»Es tut mir aufrichtig leid, wenn mein störendes Verhalten Euch Ungelegenheiten bereitet hat, Mylord«, entgegnete sie scharfzüngig. Sie tupfte mit dem Ärmel ihren Mund ab. »Ich versichere Euch, dass sich daran nichts ändern lässt.«
Obwohl sie sich zunehmend an das gewöhnte, was sie als eine Art Seekrankheit betrachtete, die mit den Sprüngen einherging, war
Weitere Kostenlose Bücher