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Das Knochenhaus

Das Knochenhaus

Titel: Das Knochenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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zu sein, ihrer Verbindung zu gestatten, sich ruhig und langsam zu entwickeln: eine Erwartungshaltung, die Haven mit Freuden unterstützen würde, solange sich dies als eine nützliche List erwies.
    Sie marschierten nun unter einem niedrigen grauen Himmel, und ein frischer Wind wehte ihnen entgegen. Die Luft war kalt und rein, und es roch nach Regen. Die beiden erreichten den Waldrand, stiegen eine Anhöhe hinauf und verließen so das flache Flusstal. Schließlich gelangten sie auf eine grasbedeckte Ebene. In weiter Ferne erhob sich eine niedrige Hügelkette; ihre Spitzen bildeten eine gezackte Linie. Doch auf der Ebene selbst gab es nichts zu sehen außer dem Gras, das sich wellenförmig im Wind bewegte, wie ein weiter grüner Ozean.
    Haven warf einen Blick auf die formlose Fläche und fragte: »Wie habt Ihr es nur geschafft, da draußen einen Ley zu finden?«
    »Ich habe da so meine Möglichkeiten, meine Liebe.« Er zog den Kopf ein und machte sich auf den Weg in die Prärie.
    Haven glaubte, seine Worte würden sich auf eine Karte beziehen, obwohl sie niemals gesehen hatte, dass er eine benutzte. Sie ging im Windschatten hinter ihm her und lauschte dabei den raschelnden Geräuschen ihrer Füße im hohen Gras. Nach einer Weile sahen sie eine Erdspalte vor sich – ein v-förmiger Riss im Boden wie eine Miniatur-Verwerfungslinie, die von West nach Ost verlief und sich in einer unwandelbaren Linie durch die Ebene schnitt.
    »Hier ist es«, sagte Burleigh und streckte seine Hand aus. »Das wird nicht lange dauern.«
    Sie nahm seine Hand, dann gingen die beiden ein halbes Dutzend Schritte. Zwar war ein körperlicher Kontakt nicht unbedingt notwendig, doch sie hatte gelernt, dass dies zu viel exakteren Sprüngen führte. Oder zumindest verringerte es die Möglichkeit, dass sie getrennt würden. Weshalb dies so war, musste sie noch herausfinden.
    Während der ersten Schritte schien sich der Himmel zu verdüstern, und die Prärie um sie herum wurde verschwommen. Der Wind wehte plötzlich so stark, dass die Grashalme flach auf dem Boden lagen, und fuhr nach unten in die Verwerfungslinie hinein. Der Regen prasselte hart auf sie hernieder; man konnte meinen, er bestünde aus schweren, spitzen Geschossen. Aus großer Höhe fuhr ein Kreischen herab, als ob der Himmel zerrissen würde, und dann wurde alles schwarz.
    Sie prallte mit einem harten Stoß auf, der sich durch den ganzen Körper fortpflanzte und ihn erbeben ließ. Brechreiz stieg ihr in die Kehle, doch da sie nichts zum Ausspeien in sich hatte, unterdrückte sie das Würgen und schluckte schwer. Sie wischte sich das Regenwasser aus dem Gesicht und schaute sich um. Die Landschaft war in abendliche Dunkelheit gehüllt; im Osten leuchteten bereits die Sterne. Sie schienen auf einem Felsvorsprung oberhalb einer sichelförmigen Bucht angekommen zu sein. Unten am Strand gab es Boote, die in einer Reihe angeordnet waren. In einiger Entfernung vor ihr, am Kap der Bucht, konnte Haven die Lichter eines Dorfes sehen, die der zunehmenden abendlichen Düsternis ein wenig Helligkeit entgegensetzten.
    »Die Zeit ist heute gegen uns«, bemerkte Burleigh. »Wir müssen diese Nacht dort bleiben und dann morgen in aller Frühe aufbrechen. Der Ley liegt ein paar Meilen von hier entfernt auf der anderen Seite der Landspitze.«
    »Das Dorf ...«, sagte Haven, während sie in Richtung der Lichter losmarschierten. »Hat es einen Namen?«
    »Trondheim, glaube ich.«
    »Wir sind in Norwegen?«
    »Sie sprechen Dänisch ... oder irgendeinen Dialekt dieser Sprache, soweit ich das erkennen kann. Wir sind jedoch nicht in Norwegen ... zu weit im Süden. Ich vermute, es ist eine Handelskolonie, die von dänischen Siedlern gegründet worden ist ... oder etwas Ähnliches. Fischerboote schauen hier vorbei, um Vorräte und Wasser aufzunehmen. Es gibt zwei Gasthäuser und mehrere Schenken. Die Leute verhalten sich ausreichend freundlich, soweit man sie verstehen kann.«
    »Was werden sie mit uns machen?«
    »Wer weiß das schon? Doch ich bezahle sie mit gutem Silber; das ist alles, was sie kümmert.«
    Erwartungsgemäß wurden sie in dem Gasthaus, das sie betraten, willkommen geheißen. Sie genossen ein herzhaftes Abendessen: Zuerst servierte man ihnen Fischpastete auf Schwarzbrot, danach geschmortes Hammelfleisch mit Grüngemüse. Man gab ihnen Zimmer unter dem Dach des Hauses, die eigentlich recht ruhig lagen. Doch Haven wurde, während sie allein in ihrem unebenen Bett lag, von heiseren Gesängen wach

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