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Das Knochenhaus

Das Knochenhaus

Titel: Das Knochenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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gehalten, die bis spät in die Nacht hinein erklangen. Lange vor Sonnenaufgang schlichen die beiden Reisenden aus dem Gasthaus und begaben sich auf den Weg. Burleigh machte den Standort des Leys ausfindig, und als die ersten Sonnenstrahlen des neuen Morgens über den Hügelspitzen im Osten auftauchten, bereiteten sich die beiden auf den Sprung nach Böhmen vor.
    Den Ley hatte Burleigh mit kleinen weißen Steinen gekennzeichnet. Sie lagen in einer Linie neben dem Pfad, der durch einen Menhir, ein Hügelgrab, einen Einschnitt in einer fernen Hügelspitze und – ausgerechnet – durch einen Galgen neben einer einsamen Wegkreuzung markiert wurde. Der Earl hatte den Sprung exakt justiert: Haven hörte, wie er leise die Schritte zählte, während sie schnell die Linie entlanggingen. Kalter Nebel trat auf, der alles eintrübte, und der Wind heulte kurz auf; und dann landeten sie auch schon auf einem ruhigen, sonnigen Hang, der ein paar Meilen von Prag entfernt war. Anschließend spazierten sie durch eine Landschaft, die von frischen grünen Feldern geprägt war, und kamen vor der Stadt an, als gerade die Tore für den nun angebrochenen Tag geöffnet wurden.
    Sobald sie auf der Straße waren, schlossen sie sich den Händlern und Reisenden an, die wie üblich in die Stadt strömten, um dort ihrem Tagesgeschäft nachzugehen. Die beiden passierten die Stadtmauern, gingen durch einige enge Straßen und betraten schließlich eine breite, stattliche Brücke, auf der Burleigh schließlich stehen blieb.
    »Es ist London sehr ähnlich«, bemerkte Haven, während sie sich anerkennend umblickte. »Kleiner zwar und besser gepflastert. Und selbstverständlich auch sauberer. Doch nicht ohne Gemeinsamkeiten.«
    »Der Palast ist oben auf der Hügelkuppe«, sagte Burleigh und wies auf den sich weit ausdehnenden, berühmten Komplex, der den höchsten Punkt der Stadt beherrschte. »Wer ist der Kaiser?«
    »Rudolf II.«, antwortete Haven mit scharfem Unterton. »Jeder weiß das. Ich bin überrascht, dass Ihr das fragt.«
    »Ich habe nur gerade überprüft, ob Ihr es wisst.« Er machte sich wieder auf den Weg; und genau in diesem Moment begannen die Glocken im Turm der Kathedrale zu läuten. Innerhalb weniger Augenblicke schlug auch jede andere Kirchglocke in der Stadt und ermahnte die Gläubigen, die Messe zu besuchen.
    »Werden wir Seine Majestät sehen?«, wollte Haven kurz darauf wissen. »Mir würde es sehr gefallen.«
    »Das ist möglich«, meinte Burleigh. »Wenn er zufällig hört, dass ich zu Besuch gekommen bin, wird er uns vielleicht zu einer Audienz einfordern. Er bildet sich ein, er wäre der führende Kopf einer Renaissance der Wissenschaft, und mag es, wenn er seine Finger überall drin hat.«
    »Ist das der Grund, weshalb Ihr Prag ausgewählt habt, um dieses Instrument herstellen zu lassen?«
    Burleigh warf seiner Weggefährtin einen raschen Seitenblick zu. Sie war ein sehr gescheites Mädel; und unter diesen rostbraunen Locken saß ein Verstand, der so schnell und geschmeidig arbeitete wie bei keinem anderen, den er je getroffen hatte. »Sehr gut, meine Liebe. Ja, die Wissenschaft hier steckt noch in den Kinderschuhen, doch das handwerkliche Geschick ist mehr als ausreichend für meine Zwecke. Die Leute hier sind zugänglich und stellen nicht viele Fragen.« Er hielt kurz inne, bevor er hinzufügte: »Im Unterschied zu Euch.«
    »Ihr schmeichelt mir, Sir«, erwiderte sie strahlend.
    Die Straße vor ihnen stieg steil an und begann, sich zum Palastbezirk auf dem Hügel hochzuschlängeln. Sie wurde gesäumt von sauberen Häusern und Läden. Die Leute, die ihren Geschäften nachgingen, schienen halbwegs gut angezogen, wohlhabend und vor allem sauber zu sein. Die Stufen vor den Häusern waren gewaschen, die Fenster ebenso – und sogar die Straßen hatte man gefegt: der Unrat war in ordentlichen kleinen Haufen zurückgelassen worden, damit die Müllwagen ihn gut einsammeln konnten.
    Während sie weitergingen, hielt Haven Ausschau nach dem Kaffeeladen. Sie hoffte, Burleigh verleiten zu können, für eine Tasse dieses modischen Trankes anzuhalten. Doch sie erblickte das Geschäft nicht, während sie immer weiter hochmarschierten. Schon sehr bald erreichten sie das Palasttor, das geöffnet war, damit Besucher ungehindert hindurchgehen konnten. Sie überquerten den Hof und stießen vor einem Eingang auf zwei Wächter, die glänzende silberne Brustplatten und Helme trugen. Die beiden hielten ihre Piken gekreuzt – eine zeremonielle

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