Das Knochenhaus
überlappen sich irgendwie, und die historischen Fakten geraten ein wenig ins Rutschen. Aber nur weil Wilhelmina Ihr Buch in irgendeiner Welt bereits als gedruckt vorgefunden hat, ist noch lange nicht alles wertlos, was Sie hier in Ihrer getan haben. Niemand von uns vermag jemals zu wissen, welchen Einfluss wir auf die Welt um uns herum haben.« Er zuckte mit den Schultern. »Wir können nur das Leben leben, das uns gegeben worden ist, und wir müssen das Beste daraus machen – gleichgültig, was in irgendeiner anderen Welt oder in einem anderen Universum passiert. Nur den nächsten Schritt machen – das ist alles, was wir tun können. Ich nehme jedenfalls an, dass die Arbeit, die Sie hier geleistet haben, für diese Welt genauso wertvoll ist, wie sie es für die andere war, aus der Mina Ihr Buch genommen hat.«
»Das ist ein schöner Gedanke«, bemerkte Thomas. »Ich werde ihn in diesem edlen Sinne annehmen.« Er dachte einen Moment nach und fragte dann: »Glauben Sie, dass ich mir selbst begegnen würde, wie ich dieses Werk erstelle, wenn ich jene Welt besuchen sollte, wo unsere Wilhelmina mein Buch aufgefunden hat?«
Kit runzelte die Stirn. »Ist es möglich, sich selbst in einer anderen Welt zu treffen?« Der Gedanke war ihm bereits in den Sinn gekommen, aber er hatte Cosimo niemals darum gebeten, ihm genau diesen Sachverhalt zu erklären. Es gab immer noch so viel, das er lernen musste. »Vielleicht«, gab er zu bedenken. »Cosimo hat mir nie etwas darüber erzählt. Ich weiß es einfach nicht.«
»Nun«, meinte Thomas, »wir werden dies der wachsenden Liste von Fragen hinzufügen, die untersucht werden müssen, wenn wir mehr Muße dafür haben.«
Sie unterhielten sich weiter, und bald kam die Kutsche vor einem großen Anlegeplatz zum Stehen. »Es heißt Der blaue Lotos «, sagte Thomas und blickte auf die Reihe niedriger Felucken und imposanter Dahabijas, die entlang des Flussufers vertäut waren. »Es ist direkt hier.«
Er stieg aus und stürmte das Ufer entlang.
Kit eilte hinterher und schloss zu ihm auf. »Es gibt immer noch eine Sache, die Sie mir nicht erzählt haben: Warum wollte Wilhelmina uns beide zusammenbringen?«
»Ich dachte, Sie wüssten das.«
»Es ging alles ein wenig gehetzt zu. Sie hatte nicht genügend Zeit, mich über alles zu informieren.« Kit dachte einen Moment nach. »Eigentlich hat sie mir nur recht wenig gesagt.«
»Dann erlauben Sie mir, Sie aufzuklären.«
»Ich bitte darum.«
»Die junge Dame war, wie ich bereits gesagt habe, sehr darauf bedacht, ein bestimmtes Artefakt zu erlangen.« Er beäugte Kit mit einem hoffnungsfrohen Gesichtsausdruck. »Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie den fraglichen Gegenstand kennen.«
»Ich habe eine recht gute Idee, um was es sich handeln könnte.«
»Sie glaubt, dieses Artefakt sollte in einem bestimmten Grabmal gefunden werden, von dem sie ein ganz spezielles Wissen hat. Sie wollte, dass ich die Ausgrabung des besagten Grabmals organisiere – eine Erfahrung, die sich von unschätzbarem Wert für meine fortlaufende Arbeit erweisen würde, wie sie andeutete.« Er blickte Kit kurz an, als ob er sich eine Bestätigung von ihm erhoffte. »Sie hat auch behauptet, Sie würden mein Führer sein. Darf ich das so verstehen, dass Sie den Standort des Grabmals kennen, von dem sie gesprochen hat?«
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es wiederfinden könnte.« Kit spürte, wie sich sein Magen umzudrehen begann, und ihn überkam ein beklemmendes Gefühl.
»Und Sie werden es mir zeigen?«
Kit nickte. Der Gedanke, zu dem Schauplatz seines kürzlich durchlittenen Martyriums – und der vermodernden Leichname von Cosimo und Sir Henry – zurückzukehren, erfüllte ihn mit Schrecken. Aber er vermochte nicht zu erkennen, dass er jetzt in dieser Angelegenheit irgendeine Wahlmöglichkeit besaß. Und dann sah er es: die pure Schönheit von Wilhelminas Plan, und das ließ ihn kurz innehalten.
Young sah, dass er anhielt, und drehte sich zu ihm um. »Ist etwas los?«
»Sie können mich ruhig einen Spätzünder nennen, doch ich habe gerade jetzt erst realisiert, dass Wilhelmina in gewisser Hinsicht ein Genie ist.« Nun, da er es erkannt hatte, war ihr Plan so naheliegend wie die Nase in seinem Gesicht. Wie viele Male noch musste er sich selbst daran erinnern: Dies hier war nicht dieselbe Welt, die er hinter sich gelassen hatte. Mina hatte ihn zu einem alternativen Ägypten geschickt, wo im Jahr 1822 das Grabmal von Anen noch nicht entdeckt –
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