Das Knochenhaus
sich im Alltag nur mit Mühe erinnern konnte.
»Wir werden heute noch damit beginnen, die Kammer leer zu räumen«, entschied Thomas, der sich voller Vorfreude die Hände rieb. »Doch wir brauchen mehr Arbeiter. Ich glaube, ich sollte Khefri zurückschicken, um Khalid und seine Mannschaft aus Luxor herzuholen. Haben Sie irgendwelche Einwände?«
»Keinen einzigen. Schließlich sind Sie hier der Experte.«
Drei Tage später kehrte Khefri zurück. Bei ihm waren die neuen Arbeiter – sieben erfahrene Ausgräber einschließlich Khalid –, drei Esel und fünf Lastmulis, die man mit zusätzlichen Zelten und Werkzeugen, mit Wasser und Proviant für einen längeren Aufenthalt in der Wüste beladen hatte. Einen halben Tag lang ruhten sich die Leute von der Reise aus. Danach wechselte die Ausgrabung in eine höhere Gangart, und Kit war froh zu sehen, dass die Arbeit rasant voranschritt. Am Ende des zweiten Tages hatten sie den Schutt aus der Hauptkammer weggeräumt und die hintere Wand vollständig freigelegt, auf der sich eine Fläche aus weißem Putz mit vertikalen Bändern aus schwarzen und gelben Hieroglyphen zeigte.
»Es gibt eine Tür zu einer kleineren Kammer«, erklärte Kit und trat auf die hintere Mauer zu. Mit den Händen fuhr er die Wand entlang; sie wurden vom Verputz schließlich ganz weiß. »Es sollte etwa hier sein.« Er rieb sich die Hände an seiner Hose sauber und wandte sich Thomas Young zu. »Doch Sie müssen sich vor Augen halten, dass nichts von dem hier war, als ich das Grab zuvor gesehen habe.«
»Den Verputz werden wir entfernen, und zwar beginnen wir in dem Bereich, auf den Sie hingewiesen haben«, entschied Thomas. »Das wird unsere morgige Übung sein.«
Die Arbeiter wurden nach draußen geschickt, um die Trümmer nach irgendwelchen Fragmenten von Interesse durchzusieben. In der Zwischenzeit holte der Arzt seine Zeicheninstrumente und fertigte eine untergliederte Darstellung der Wand an. Anschließend machten sich Thomas, Kit und Khefri daran, sorgfältig die Hieroglyphen aufzuzeichnen, die den Bereich bedeckten, hinter dem der verborgene Eingang vermutet wurde. Diese Aufgabe beschäftigte sie bis weit in die Nacht hinein – und es hätte noch weit länger gedauert, wäre da nicht Khefri gewesen, der eine angeborene Fertigkeit besaß, die alten Symbole genau darzustellen.
Am nächsten Tag kehrten sie noch vor Sonnenaufgang zu ihrer Arbeit zurück. Den erfahreneren Arbeitern wurde die Aufgabe zugewiesen, den Verputz wegzumeißeln, der den Eingang zur verborgenen Kammer verdeckte. Damit durften sie aber erst beginnen, nachdem Thomas zu seiner Zufriedenheit jedes Symbol mit der Kopie verglichen hatte, die in der Nacht zuvor gezeichnet worden war.
»Ich werde dies aufbewahren, um es zu entschlüsseln, wenn ich Zeit dazu habe«, teilte er mit, als er die letzte lange Papierrolle wieder aufwickelte. Er nickte Khalid zu, der daraufhin den Arbeitern befahl, mit Hammer und Meißel die Wand zu bearbeiten.
»Wissen Sie, wie man das liest?«, erkundigte sich Kit, während er zusah, wie mit dem ersten Hammerschlag ein oder zwei Linien von der uralten Bilderschrift zerstört wurden.
»Es ist im besten Falle teuflisch schwierig«, räumte Young ein. »Doch wir machen Fortschritte. Jede neue Entdeckung vergrößert unseren Vorrat an Wörtern, und das Wissen von den uralten Texten nimmt zu. Es gibt hier einige Symbole, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Doch ich sehe schon den Tag voraus, an dem wir in der Lage sein werden, die alten Schriften so einfach wie eine Tageszeitung zu lesen.«
»Die Hieroglyphen, die sie entziffern können ... Was bedeuten sie?«, wollte Kit wissen.
»Sie scheinen eine Art von Gebeten zu sein, die an verschiedene Götter gerichtet sind: Bitten um Schutz für das Grabmal und für das Ka , also für die Seele des Verstorbenen. Andere scheinen Bittschriften zu sein, bei denen es um die rechte Führung auf der Reise ins Jenseits geht. Einige der Texte, die ich gesehen habe, beziehen sich zweifellos auf Tatsachen und Vorkommnisse aus dem Leben des Verstorbenen: Listen mit Besitzgegenständen und Vermögenswerten, Beschreibungen von Familienmitgliedern, bemerkenswerte Geschehnisse und Ähnliches. Wir fangen an zu erkennen, dass bestimmte Ansammlungen von Symbolen in den Grabmälern und auf den Sarkophagen wiederholt auftauchen. Deshalb vermuten wir, dass die Gebete einem Muster zu folgen scheinen – einem Schema, wie wir glauben, das routinemäßig verwendet wurde.«
Kit
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