Das Koenigreich der Luefte
verbringt?«
»Vom jackalianischen Gesandten in Bladetenbul?«
»Das war eine rhetorische Frage«, erwiderte Harry. Er holte ein Fernrohr hervor, zog es auseinander und sah damit den abziehenden Rotröcken nach. »Da steht ein weißer Planwagen, Sanitätskorps – ein Seuchenwagen.« Er grinste. »Ein verdammter Seuchenwagen. Das ist alt, Jamie! Lass uns Fersengeld geben, mein Junge, bevor mein alter Kumpel und sein zahmer Mutterschoßmagier uns noch mehr Haustierchen des Kalifen auf den Hals hetzen.«
Oliver bückte sich nach seiner Donnerbüchse, die tatsächlich noch heil war, von ein paar Zahnspuren am Schaft einmal abgesehen. Sie ließen die Knochen der Jagdgeschöpfe neben dem Schrott der Dampfmänner und den niedergemetzelten Divisionen des Gemeinwesens liegen.
Kurz nach einer kleinen Mittagspause wurde der sumpfige Boden wieder fester, und die sanft: rollenden Hügel wichen einem Vorgebirge, hohen alpinen Wäldern und dem ersten Blick auf eine schneebedeckte Bergkette. Sie mussten die Grenze zum Freistaat überquert haben – es gab, soweit Oliver wusste, hier im Osten von Jackals keine Berge. Die meisten Dörfer und Städte des Metallvolks lagen oben in den schroffen Felsenklippen; hier unten deutete nur der getrocknete Eselsmist von den Handelskarawanen darauf hin, dass es in dieser Gegend überhaupt Leute gab. Und natürlich die Metallstangen mit den langen Bändern aus einem papierdünnen Stoff, die im leichten Wind flatterten und deren Regenbogenfarben den Weg markierten, der tiefer ins Königreich der Dampfmänner führte.
Vielleicht waren es die eisigen Bergwinde, die durch die Klüfte des Mechanzischen Rückens bliesen – nach einer Stunde, die sie sich in Richtung der Hauptstadt der Dampfmänner vorgearbeitet hatten, begann Oliver zu zittern. Zuerst war es nur ein kühler Hauch, und er knöpfte sich den Kragen seiner Jacke weiter zu, aber dann breitete es sich aus, und kalte Finger krochen über seinen Rücken. Harry bemerkte, dass Oliver langsamer wurde, und wartete, bis er wieder aufholte.
»Es ist ja der reinste Winter hier oben in den Bergen, Harry.«
»Winter? Du schwitzt ja, Oliver. Lass mich deinen Arm ansehen.«
Oliver zitterte nun völlig unkontrolliert. Es fühlte sich an, als würde die sanfte Brise auf den Höhen genügen, um ihn die Abhänge hinaufzuwehen und ihn wie ein Blatt ins Reich der Dampfleute schweben zu lassen. »Ich kann ihn nicht anheben, Harry. Der Verband hat ihn ganz schwer werden lassen, wie ein Eisblock. Aber es kitzelt unterhalb der Schulter.«
Harry sagte etwas, aber seine Stimme wurde immer leiser, und dann schien der Wolfschnapper zu wachsen – oder beugte er sich nun über Oliver? Der Boden fühlte sich fest an, beinahe warm, als hätte er genau die richtige Form für seinen Körper. Hätte er gewusst, wie gemütlich es war, dann hätte er schon früher angehalten. Auf den Hängen standen die Kiefern wie Wachposten da, hoch und klar, und vollführten ihm zu Ehren eine Parade. »Ich habe ein paar interessante Dinge gesehen, Harry. Seit ich frei bin. Es wäre langweilig gewesen, hätte ich den Rest meiner Tage gefangen in Hundred Locks verbringen müssen.«
Harry sprach jetzt ganz leise mit ihm, er hatte wohl irgendwie seine Stimme verloren. Das war alles sehr vergnüglich. Oliver lachte. Dann kam die Schwärze und wirbelte ihn hinweg ins Dunkel.
Der Lichtkristall an der Decke über dem Flüstermann wurde heller und warf blinkende Spiegelungen in die Pfützen aus Schwemmwasser auf dem steinernen Fußboden. Offenbar senkte einer der Hexenmeister die ineinandergreifenden Schichten der Fluchwälle und zog die unsichtbaren Barrieren seines steinernen Verlieses zurück. Der schwarze Vorhang, der die Tür verdeckte, wurde durchsichtig. Es war Shanks -selbst unter dem dunklen Fluchschutzanzug, dunkel, stachlig und von den vielfach aufgebrachten Weltensängerbeschwörungen glänzend, erkannte der Flüstermann den derzeitigen obersten Bewacher. Zwei Wächter standen, mit Giftkeulen bewaffnet, hinter ihm, ebenso wie ein Weltensänger in purpurnem Gewand. Unbewaffnet. Ach so, dann war er es.
»Hallo, Nathaniel«, sagte der oberste Bewacher. »Auf die Beine – oder auf das, was bei dir als Beine durchgeht. Du hast einen Gast, der mit dir reden möchte.«
»Shanks«, zischte der Flüstermann. »Möchtest du nicht einmal ohne diesen Anzug vorbeikommen und mir einen Besuch abstatten? Lass uns doch einmal sehen, ob diese Blüten, die du dir hast ins Gesicht stechen
Weitere Kostenlose Bücher