Das Koenigreich der Luefte
Molly. Die Dienende Schar der Nachttopf-Pioniere und gleichzeitig der letzte zivilisierte Außenposten Jackals hier unten.«
Als sie sich der Festung näherten, wurde der Gestank sogar noch schlimmer. Molly bemerkte große, auf dicken Kugeln sitzende Kanonen, deren Mündungen den Bewegungen ihres Aerostaten folgten, und die durch Schläuche mit großen Tanks giftiger, schnell entflammbarer Gase verbunden waren. Gestalten, die Gasmasken trugen, ritten auf zahmen Pickern und patrouillierten das Gelände; hinter ihren Sätteln steckten lange Lanzen. Oben auf den Mauern hockten schwere Geschütze, mit Dreckgas-Munition geladen, die ihre hässlichen Froschmäuler dem Abwassermeer entgegenreckten.
»Erwarten sie hier Ärger?«, fragte Molly.
»Krieg an zwei Fronten«, sagte Harsh. »Die Geächteten von Grimhope würden sich die Scheiße der Stadt gerne sichern, obwohl ihnen das zum letzten Mal gelang, als König Juda noch an der Regierung war. Dann gibt es noch die Abwässerfilzer und andere Ausgestoßene in der oberen Unterstadt und in den Kellerebenen, die offenbar der Meinung sind, die Kacke von Middlesteel sei ein kostbares Gut, das ihnen gestohlen wurde.«
Ihr kleiner Aerostat trieb der steinernen Festung entgegen.
»Ich weiß nicht, wieso sie das so aufregt«, sagte Molly. »Es kommt doch immer wieder neue Kacke in Middlesteel zusammen.«
Harsh reichte Molly eine Leine mit einem Bleigewicht am Ende. »Genau dasselbe denke ich auch. Wirf das hier hinab, wenn wir ungefähr auf Höhe der Gebäude sind. Und versuche, niemandem damit den Kopf einzuschlagen, Kleine.«
Als sie von einer Gruppe Pioniere herabgezogen wurden, sah Molly, dass die Gesichter der Festungsbewohner alle hinter bedrohlich wirkenden braunen Gasmasken versteckt waren, sogar die der vierarmigen Craynarbier; die Namen waren über den Sichtgläsern schabloniert, und daneben gaben kleine Silbersterne den Rang des Betreffenden an. Molly wollte gerade aus dem Korb springen, als drei Pioniere mit großen Porzellantanks voller brennbarer Gase und mit von Eisenspitzen gekrönten Schläuchen um den Aerostaten Aufstellung nahmen. Ein vierter Pionier, der auf einem Picker ritt, zog eine Blutmaschine auf einem Karren hinter sich her. Der Picker scharrte ungeduldig auf dem Boden, obwohl man seinen vogelartigen Klauen alle Krallen abgeschnitten hatte.
Nachdem er von seinem Reittier gestiegen war, starrte der Pionier Molly durch die Sichtfenster seiner Gasmaske an. »Ist das die Kleine, die Sie gesucht haben?«
Professorin Harsh sprang aus der Aerostatgondel. »Ein dürres kleines Ding, Sergeant. Überhaupt kein Fleisch auf den Rippen.«
»Diesmal also keine goldenen Statuen, Professorin?«
»Wenn Sie einen Tempel in den Duitzilopochtli-Klüften finden, der noch nicht eintausend Mal von Grabräubern, Geächteten und Lumpensammlern durchwühlt wurde, seien Sie doch so nett und benachrichtigen mich sofort, Sergeant.«
Die Professorin drückte ihren Daumen auf die Nadel der Blutmaschine und wartete darauf, dass das kleine, dampfbetriebene Übertragungsgetriebe ihre Identität bestätigte.
»Sie entsprechen Ihren hinterlegten Daten, Amelia«, konstatierte der Pionieroffizier. »Und Sie können für Ihre Begleiter bürgen?«
»Sie haben den Aerostaten kein einziges Mal verlassen«, sagte die Professorin. »Sie haben nicht einmal den Boden der Klüfte berührt.«
Molly ging an dem Pionier vorbei und duckte sich unter dem gefährlichen Schnabel des Pickers, um sich das Übertragungsgetriebe der Blutmaschine anzusehen. Etwas an der Art, wie sich die Berechnungswalzen drehten, flüsterte ihr zu, dass es noch vor Ende des Monats kaputtgehen würde.
Der Pioniersergeant schaltete den Kessel der Maschine ab. »Hier unten gibt es Irrnebelläufer, Kleine. Gestaltwechsler. Ausgestoßene Weltensänger, die dir ein wenig Glitzer aufs Gesicht legen und dann deinen Mund wie Ton formen können. Man kann nicht vorsichtig genug sein.«
Molly schenkte dem Offizier ihr bestes Dummchen-Lächeln, und als er sich abgewandt hatte, versetzte sie die Neukalibrierungswalze mit ein paar Handgriffen in den Dampf-aus-Zustand. Nun würden die Wartungsarbeiter den Verschleiß sofort erkennen, wenn sie die Blutmaschine überprüften.
Ver’fey rief nach ihr, und Molly sah, dass der Berichterstatter und die Professorin bereits die Festung betraten; zwei Reihen dicker Metalltore öffneten sich wie ineinanderschnappende Drachenzähne. Innen brachte eine karge Wartungskapsel sie über eine
Weitere Kostenlose Bücher