Das Koenigreich des Sommers
ich aber den Weißdorn nicht verstanden. Ich saß auf dem Baum und drehte den Zweig in den Händen und fragte mich, was du damit wohl meintest. Und dann fiel mir der blühende Weißdorn bei Baddon ein, und der Kriegsschrei und der brechende sächsische Schilderwall, und ich wußte, daß du Rhuawn meintest.« Er schaute mich an, und ich nickte. Er fuhr fort: »Dadurch verdunkelte sich die Sonne für mich. Ich kenne Rhuawn schon seit sehr vielen Jahren, und ich mag ihn seit dem ersten Tag, an dem ich der Familie beitrat. Obwohl ich ihm mißtraute, habe ich nicht geglaubt, daß er sich mit Medraut zusammentun würde, um dich zu töten oder zu verzaubern.«
»Das hat er auch nicht. Ich wollte nur, daß du dich vor ihm hütest.«
»Das sagst du jetzt. Aber als ich die Nachricht fand, dachte ich, er schmiedete Pläne gegen uns, zusammen mit Medraut und meiner Mutter. Ich warf den Weißdornzweig weg und stampfte ihn in den Boden, und dann ritt ich im Galopp zurück nach Degganwy und nahm die Brosche und das Schwert mit.
Zuerst ging ich zu Rhuawn. Er war noch immer in unserem Haus. Ich öffnete leise die Tür und stellte fest, daß er auf dem Bett saß und einen Speer schärfte. Er begrüßte mich fröhlich, aber ein bißchen gezwungen. Ich schloß nur die Tür und schaute ihn an, bis er mich fragte, was ich hätte. Dann zeigte ich ihm das Schwert und die Fibel, und ich erzählte ihm, wie ich sie gefunden hatte. Er nahm das Schwert in die Hände, drehte es um, schaute die Brosche an. Ich sagte: >Ein Zweig Weißdorn war um das Schwert gebunden, und ich habe angenommen, daß der für dich stand. Willst du behaupten, daß du nichts davon weißt?< Er legte das Schwert wieder hin, ein bißchen zu schnell. >Ich weiß nichts davon. Wo ist Medraut?< >Ich weiß es nicht<, erwiderte ich, >und es ist mir auch gleich. Wo ist Rhys?< Und dann warf Rhuawn mir vor, daß mir mein Bruder und mein eigener Clan gleichgültig seien. Und ich sagte ihm, daß mein Bruder Schlimmes gegen mich im Schilde führte und daß er, Rhuawn, sich ihm zugesellt hätte und Artus und mich selbst betrog.« Gawain hielt inne. Dann fügte er hinzu: »Dafür muß ich ihn um Verzeihung bitten. Aber ich war sehr wütend. Er wurde auch wütend, aber sein Zorn war mit Angst gemischt. Er sagte: >Du bist wahnsinnig<, und
ich wußte nicht, was er meinte.«
»Das hat Medraut uns eingeredet«, sagte ich. Ich hatte ihm die Einzelheiten des Streits nicht erzählt. Er warf mir einen scharfen Blick zu, und ich meinte: »Medraut sagte, die Sache mit der Finsternis sei eine fixe Idee bei dir. Geboren aus dem gleichen Wahnsinn, der dich in der Schlacht überkommt. Es hörte sich alles sehr plausibel an.«
»Das war es also. Rhuawn weigerte sich, mit mir zu reden. Ich fragte ihn wieder wegen des Weißdorns aus, und wieder sagte er, die ganze Nachricht sei ein zweischneidiger Blödsinn, und es wäre unmöglich, die Nachricht auszulegen. Jeder hätte die Brosche stehlen und dort hinbringen können. Ich glaube nicht, daß er selbst seine Worte glaubte, aber seine Ehre stand auf dem Spiel, weil ich ihn des Verrats beschuldigt hatte. Schließlich sagte ich ihm, ich wollte Medraut aufsuchen. Wütend bestand er darauf, sich mir anzuschließen.
Medraut kam erst am Nachmittag zurück. Ich glaube, meine Mutter muß hart gearbeitet haben, um seinen Kopf zu heilen, und dann ist sie gegangen, solange es noch Nacht war. Sie hielt sich schon in der Festung auf, und er kam allein zurück. Wir erwischten ihn, ehe er sich in sein Haus schleichen konnte, als er sein Pferd in den Stall führte. Ich gab ihm das Schwert und sagte: >Das ist wohl deins.< Er nahm es, starrte es an, und ich glaube, er machte sich Sorgen. Aber dann lächelte er und versuchte charmant zu sein. >Ja, wirklich, es ist meins<, sagte er. >Ich hab’ es gestern nachmittag verloren. Ich hab’ es gesucht. Wo hast du es denn gefunden« Ich sagte es ihm, und er schüttelte den Kopf. >Und Rhys war nicht dort?< fragte er mich. >Sehr merkwürdig.< Dann schaute er Rhuawn an und sagte: >Rhys wollte die Festung verlassen und hatte am Tor einen Streit mit ein paar von Maelgwyns Männern. Sie sind ihm gefolgt, um ihn aufzuhalten. Ich hörte davon und ritt hinter ihm her, aber die Männer glaubten, er sei unverschämt zu ihnen gewesen, und sie wollten Rhys nicht herausgeben. Es kam zu einer Schlägerei. Ich wurde auf den Kopf getroffen, und ich weiß nicht, was danach mit Rhys passiert ist. Vielleicht hat einer von Maelgwyns Männern
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