Das Koenigreich des Sommers
nicht, ob es eine gute Zeit ist oder nicht, wenn ein Vater stirbt, dann fehlt ein Stück von der Welt eines Mannes. Gawain konnte nicht fühlen, was ich gefühlt hätte, wenn es mein Vater gewesen wäre, aber trotzdem fühlte er etwas, und ich glaube nicht, daß er von mir irgendwelche Worte deswegen hören wollte.
Er begann weiterzuerzählen. »Agravain war bei ihm, als es passierte. Mein Bruder sagte, Lot hätte mitten in einem Satz innegehalten, seinen Kopf umklammert und aufgeschrien. Dann sei er gestürzt. Agravain versuchte, ihm zu helfen. Dann rannte er zurück in die Festhalle, um mich zu holen, aber keiner von uns konnte noch etwas tun. Und es war ein Gefühl von Finsternis in diesem Raum, das einem das Herzblut gefrieren ließ, und mein Vater lag steif und grau an der Feuerstelle. Ich weiß, wie es kam, daß er so schnell gestorben ist.«
»Morgas?« Er schaute mich noch immer nicht an, aber er nickte. Sein Gesicht war starr und ohne Ausdruck. »Aber warum?«
Er zuckte die Achseln. »Ich glaube, sie hat befürchtet, daß Agravain in ihrer Affäre mit Maelgwyn Schwierigkeiten schaffen könnte. Und außerdem war Agravain Medrauts Rivale in dem Spiel um die Loyalität der Truppe und die Nachfolge auf den Thron der Orcades. Aber ich bin genauso sicher, daß sie das Leben meines Vaters ausgelöscht hat, wie ich sicher bin, daß die Sonne aufgeht oder untergeht. Wenn ich schneller gedacht hätte, als Medraut die Halle verließ! Aber er war tot. Wir legten ihn auf eine Bahre, um ihn zu betrauern. Wir sangen den Coronach - das ist eine irische Klage -bei Fackellicht, fast die ganze Nacht. Agravain war wie wahnsinnig: Er warf sich neben der Leiche nieder und schwor. Was ist denn?«
»Nichts«, sagte ich. »Nur ein Traum. Erzähl weiter.«
Er warf mir einen festen, ernsten Blick zu. »Ich weiß, daß auch dein Vater Träume hatte. Ich wäre dir dankbar, wenn du mir deinen Traum erzählen könntest.«
»An dem Tag, nachdem dein Vater gestorben ist, habe ich geträumt, daß ich die Königin sah, wie sie einen Bann aussprach. Und dann sah ich eine Beerdigungsprozession mit einer zugedeckten Leiche auf einer Bahre, und Agravain hat getrauert. Ich dachte, du seist der Tote. Aber erzähl weiter.«
Gawain nickte. Er war jetzt offensichtlich ruhiger als ich. »Agravain schwor, daß derjenige, der bei dem Mord an Lot seine Hand im Spiel hatte, von seinem Schwert sterben sollte, und Lot sei der größte König in ganz Erin und ganz Britannien und auf allen Inseln.«
»Und Artus?«
»Artus ist kein König, er ist Hoher König«, erwiderte mein Herr, und ein sehr schwaches Lächeln berührte seine Lippen. Dann verschwand es wieder. »Nun, wir blieben die ganze Nacht auf. Als die erste Sonne die Welt wieder atmen ließ, nahm Agravain mich beiseite. Das war gestern morgen. Ich hatte das Gefühl, als ob der Tag aus feinem, strahlendem, brüchigem Glas sei und jeden Augenblick zerbrechen könne. An Agravains Blick erkannte ich, daß es ihm gleich war, ob die Sonne aufging oder ob sie für immer von der Erde verschlungen wurde. >Mutter hat das getan<, sagte er. Ich schüttelte den Kopf. >Versuch nicht, es abzustreiten oder wegzuerklären. Du weißt genauso sicher wie ich, daß sie ihn getötet hat, sie und unser weißhaariger Bastard von einem Halbbruder.. .<«
Ich war ein bißchen schockiert. »Kann Agravain nicht akzeptieren, daß Lot auch Medrauts Vater war?«
Gawain warf mir einen sehr verwunderten Blick zu. »Aber er war es ja nicht. Jeder weiß das.«
Ich fühlte mich dumm und verwirrt. »Ich wußte das nicht. Warum sagst du das?«
»Alle haben es immer gewußt. Medraut ist in Britannien geboren. Mein Vater führte einen kleinen Krieg im Norden, und er ließ meine Mutter am Hof ihres Vaters, des Pendragon Uther, zurück. Mein Vater war nicht da, vom Mai bis zum Dezember, und Medraut ist im nächsten Juni geboren worden. Außerdem.« Er unterbrach sich scharf.
»Weißt du, wer sein Vater ist?« fragte ich noch erstaunter.
Gawain sagte nichts. Er schüttelte den Kopf.
»Aber du weißt es doch«, sagte ich drängend.
»Ja, ich weiß es. Aber laß es auf sich beruhen, Rhys. Ach, nicht, daß ich dir nicht traue. Aber ich darf das Geheimnis nicht preisgeben.«
»Aber wer. Weiß Medrauts Vater es denn?«
»Ja. Aber er kann nichts tun. Morgas hatte immer Pläne für Medraut. Ich glaube nicht, daß Medraut es weiß, und er ist so auch glücklicher. Laß es auf sich beruhen.«
Schweigend ritten wir ein Stückchen
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