Das Koenigreich des Sommers
verflucht wegen der Tat meines Vaters.«
»Du wirst nicht sterben«, wiederholte ich. »Morgas ist nicht die einzige Macht in dieser großen Welt. Eivlin, wenn du so sicher bist, daß du sterben wirst, warum hast du mich dann überhaupt gerettet? Deine Herrin würde mich dann genauso sicher töten.«
»Es war meine Schuld, daß du in Gefahr warst«, sagte sie mit ganz leiser Stimme. »Meine Herrin hat mir befohlen, dich zu Medrauts Haus zu führen und dir zu sagen, daß dein Herr dort wäre. Ich wußte, daß sie nichts Gutes mit dir im Sinn hatte, und trotzdem habe ich dich dorthingebracht und dir ihre Worte gesagt. Und dann«
- sie hielt den Atem an -, »dann hatte sie vor, schreckliche. schreckliche Dinge zu tun. Und ich sollte ihr helfen. Und als sie anfing, da sagte ich mir: >Eivlin, hier ist der einzige Mann, der sich um deinen Fluch nicht kümmert. Hier ist ein Mann, kein Krieger, sondern ein einfacher Mensch wie du. Er hat dir aus freiem Willen geholfen. Er hat so eine Art zu reden und so ein gewisses Lächeln. Und deinetwegen, weil er dir vertraut hat, soll er tot und verdammt sein.<«
»Aber sie konnte mich ja nicht verdammen«, fiel ich ihr ins Wort. »Töten kann sie mich, aber das andere, das liegt außerhalb ihrer Macht.«
Eivlin zuckte die Achseln. Ich spürte ihre Bewegung durch das Heidekraut. »Ja. Aber ich wußte, daß sie dich auf fürchterliche Weise töten würde, und ich konnte es nicht ertragen. Also bin ich gegangen und hab’ Ronan gesagt, er soll die Pferde nach Hause bringen. Dann hab’ ich Medraut auf den Kopf gehauen und dich losgeschnitten. Es ist besser, wenigstens ehrlich zu sterben. Und du sagst immer wieder, daß du ein Christ bist und eigene Zauberei hast. Deshalb kann dir ihre nichts anhaben. Ich glaube, du wirst ihr entkommen.«
Ich drehte den Kopf um und schaute sie voll an. Tränen waren auf ihren Wangen und machten helle Rinnsale auf dem Schutz in ihrem Gesicht. Ihr blondes Haar war schlaff, verdreckt und wirr. Für mich war sie schöner als irgendeine andere Frau auf der ganzen Erde.
»Du wirst nicht sterben«, sagte ich und stemmte mich auf einem Ellbogen hoch. »So wahr Gott im Himmel gerecht ist, du wirst nicht sterben. Glaub mir.« Ich streckte linkisch die Hand aus und berührte ihre Schulter, nur um sie zu trösten. Und plötzlich kam sie in meine Arme und begann zu weinen. Ich hielt sie fest; sie legte den Kopf an meine Schulter und schluchzte laut, während ich ihr Haar streichelte und beruhigende Laute von mir gab. Trotz all der Gefahr, trotz all der Müdigkeit, trotz all meiner Schmerzen und meiner Krankheit, dieser Augenblick war einer der schönsten und erfülltesten meines Lebens.
10
Eivlin schlief weinend in meinen Armen ein, und ich schlief kurze Zeit später. Ich hatte wach bleiben und sie noch eine Zeitlang festhalten wollen, aber es dauerte nur Minuten, bis ich schnarchte. Als ich aufwachte, lag die späte Nachmittagssonne schwer auf der Lichtung und der Straße dahinter, und Eivlin war nicht neben mir. Ich setzte mich auf und sah mich um. Weder Eivlin noch das Pony waren da. Ich erlebte einen Augenblick des wahnsinnigen Schreckens. Ich dachte, Morgas hätte einen Dämon geschickt und Eivlin sei fort - aber dann versuchte ich mir vorzustellen, was ein Dämon wohl mit einem Pony wollte, und die schlimme Minute verging.
Ich stand vorsichtig auf. Mein Kopf schmerzte noch, aber nicht mehr so schlimm. Ganz leicht befingerte ich den hinteren Teil meines Schädels. Ich fühlte eine große Beule, die von verkrustetem Blut bedeckt war. Die mußte von Medrauts Schlag stammen, wenn Medraut wirklich derjenige gewesen war, der mich geschlagen hatte. Darüber saß eine kleinere Beule, die ohne Zweifel von dem Aufprall auf den Boden stammte, nachdem Rhuawn mich geschlagen hatte. Meine Schwester Morfudd pflegte immer zu sagen, daß ich einen dicken Schädel hätte. Nun, bei solcher Behandlung brauchte ich auch einen. Ich fragte mich, wie Medrauts Kopf sich wohl anfühlte.
Dann krachte es leise in den Büschen. Meine Hand fuhr zum Messer, und ich glitt rückwärts ins Gebüsch. Aber es war Eivlin. Sie führte das Pony. Ich seufzte vor Erleichterung und trat wieder ins Licht.
»Du hast mir angst gemacht. Ich bin aufgewacht und stellte fest, daß du weg warst«, sagte ich ihr.
»Hab’ ich das?« Sie schob sich eine Haarsträhne aus den Augen und lächelte. Sie hatte sich das Gesicht gewaschen und das Haar sorgfältig geglättet, und in der Schließe ihres Kleides
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