Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman
und sich zwischen den Sitzbänken so mühelos bewegte wie seine sehenden Kameraden. Der Smutje teilte nun das Hammelfleisch aus und lachte über die schmale Portion, die der Horcher sich genommen hatte.
Amelia sah zu T’ricola hinüber. »Hat Billy keinen Hunger?«
»Er ist nun mal so, er trinkt ja auch keinen Teerschnaps und lässt die Rumrationen aus«, sagte T’ricola. »Billy hat ein paar komische Angewohnheiten. Ich denke, es hat religiöse Gründe.«
Amelia zuckte die Achseln. Es gab besonders überzeugte Zirklisten, die kein Fleisch außen, aber generell liebten Jackalianer einen großen Teller mit dampfendem Braten und Röstkartoffeln, die in dunkler Soße schwammen. Draußen auf dem Land verschrieben die Ärzte kränkelnden Kindern oft eine Diät aus Rotwein und heißem Roastbeef.
»Ich habe keine komischen Angewohnheiten«, bemerkte Billy, der sich wieder setzte.
Gütiger Zirkel, er musste die beiden selbst von der anderen Seite des Raumes aus gehört haben.
»Trotz allem, was Bulls Piraten darüber denken mögen«, fuhr er fort. »Es hat mir nie gefallen, mir meine eigene Existenz damit zu erhalten, dass ich die eines anderen Wesens auslösche.«
»Und daher trinken Sie auch lieber Saft als einen Schuss Rum?«, fragte Amelia.
»Ich trinke ebenso gern einen Schluck Rum wie jeder andere, Professorin, aber wenn man schon einen seiner Sinne eingebüßt hat, dann achtet man darauf, die übrig gebliebenen nicht auch noch zu dämpfen«, sagte Billy. »Davon abgesehen sind Sie gerade die Richtige, die sich über meine komischen Angewohnheiten Gedanken
machen sollte. Die meisten Gelehrten wären voll und ganz damit zufrieden, den Staub von ihren Folianten zu pusten, und würden nicht einmal davon träumen, nach einem uralten Paradies zu suchen, das unter dieser grünen Hölle verborgen liegt, an der wir vorbeischippern – oder vielleicht auch nicht.«
Es gab eine ganze Reihe von Dingen, die Amelia gern darauf entgegnet hätte, aber sie war es schon lange müde geworden, sie aus ihrer Vergangenheit hervorzuzerren – all die langen abendlichen Gespräche über Camlantis mit ihrem Vater, wenn sie sich unter einer Decke vor dem knisternden Feuer eingerollt hatte und die Hagelkörner ans Fenster prasselten. All die Versuche, diesen Traum und diese Erinnerungen in ihrem jetzigen Leben wieder zum Leben zu erwecken. Es war so schwer und es erschöpfte sie so stark, wenn sie diesen Traum zu erklären, zu rechtfertigen versuchte. Amelia spießte ein Stückchen Hammelfleisch aus ihrer Schüssel auf ihre Gabel. »Ich vermute, Sie müssen die verlorene Stadt einfach als meinen Salatteller beim Grillfest betrachten, Billy.«
Damson Beeton eilte Septimoth über den Flur hinterher. »Was soll das heißen, der Herr verspätet sich? Sein Abendessen steht im Ofen und wird so trocken wie ein cassarabischer Sandgarten!«
»Seine Geschäfte halten ihn heute Abend in Middlesteel«, erklärte Septimoth.
»Oh, tatsächlich, Sie alter Vogel? Verspätet er sich vielleicht
wegen einer Verabredung mit seinem Schneider? Sie beide werden mich noch ins Grab bringen.«
»Ganz sicher nicht, Damson Beeton.«
»Das sagen Sie.« Damson Beeton zog eine Knochenflöte aus den Falten ihrer Schürze. »Wenn dem so ist, wieso bin ich dann draußen über dieses Ding gefallen und habe mir beinahe das Genick gebrochen?«
»Meine Flöte!« Beinahe hätten sich Septimoths gefaltete Schwingen unwillkürlich auf volle Gleitfläche ausgebreitet. Die Seher der roten Feder hatten ihre Entscheidung gefällt und ihm seine Knochenflöte als Zeichen zurückgesandt. Die Dinge standen offenbar schlimmer, als er es sich vorgestellt hatte, wenn sie ihn um Hilfe baten.
»Das Rückgrat Ihrer alten Mutter. Sie haben es auf der obersten Eingangsstufe des Hauptgebäudes liegen lassen. Ich bin auf dem Weg zum Kräutergarten darübergestolpert und hätte mich beinahe verletzt.«
Septimoth nahm die Flöte wieder in Empfang und steckte sie in seinen Gürtel. »Ich danke Ihnen, Damson, ich hatte sie verlegt.«
»Ihre arme Mutter«, sagte Damson Beeton. »Ich dachte, ihre Knochen seien Ihnen heilig und teuer. Wenn das die Art ist, wie Sie mit ihnen umgehen, dann täten Sie mir einen Gefallen, wenn Sie mein Rückgrat bitteschön in meinem Grab ruhen ließen, nachdem ich den Zirkel entlanggeschritten bin. Nein. Bitte machen Sie keine Laute aus meinem armen alten Rücken, Sie achtloses Flattertier.«
Septimoth verbeugte sich zum Zeichen, dass er ihre Worte
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