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Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Titel: Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hunt
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geheimen Schalter benutzt hatte.
    Nun schlich Amelia durch die Flure, so leise wie das ganze übrige Schiff. Die Sprite bewegte sich nicht mehr, die Maschinen schwiegen. Amelia zog sich den kalten Stahl einer Leiter empor, kletterte zwei Decks weiter nach oben und hielt auf den hinteren Geschützturm zu. Als sie an der Maschinistenstube vorüberkam, riskierte sie einen Blick durch die leicht offen stehende Luke. An den Werkbänken und Tischen war es still, die Reparaturarbeiten ruhten, und die Besatzungsmitglieder hielten sich offensichtlich nervös an den Rohren an der Decke fest. Es war, als hätte sie, während sie Bull Kammerlan
überwand, auch die Marionettenfäden seiner übrigen Sklavenjägertruppe durchschnitten; sie warteten in der abgestandenen Luft darauf, dass ihr Anführer wie ein Krake aus seinem Schlaf erwachte.
    Das Glück blieb ihr nicht hold. Amelia lief den Gang zur Tauchkugel entlang, als sie ein Matrose entdeckte und zusammenfuhr, als ihm bewusst wurde, dass sie eigentlich unten im Laderaum bei den Catosierinnen eingesperrt sein sollte. Seine Hand fuhr an den Gürtel, suchte das Pistolenhalfter, und Amelia spendierte ihm eine Ladung ihres Karabiners. Der Matrose prallte von der Wand zurück und brach vor ihr zusammen; sie hatte ihn mitten in die Brust geschossen, und er war tot, noch bevor der Knall der kurzläufigen Waffe durchs Schiff hallte. Damit war Schluss mit Unauffälligkeit und Vorsicht, dachte Amelia seufzend. Sie drückte eine neue Patrone aus dem Gürtel, noch während sie die zerbrochene Kristallhülle der ersten aufs Deck fallen ließ. Dann schob sie die neue Munition in den Karabiner.
    Der Zugang zur Tauchkugel war, wie sie dann feststellen musste, verschlossen – mit einem schlichten Rotationszahlenschloss. Da keine Hoffnung bestand, die Kombination zu erraten, hielt sie die Mündung des Karabiners einen Zoll vor das Metall und drehte den Kopf zur Seite, als der Schuss aus der kurzläufigen Waffe von dem Riegel abprallte. Heißes Metall schrammte an ihrer Hand entlang. Das Schloss war beschädigt, aber es hielt noch immer. Sie schlug den Schaft des Gewehrs gegen den Riegel und legte damit den Schlossmechanismus
frei; innerlich verfluchte sie es, dass die Sprite von ihren schon lange verstorbenen königlichen Maschinenbauern mit derartiger Umsicht konstruiert worden war. Verzweiflung wallte in ihr auf, als sie hörte, wie sich auf den Decks unter ihr etwas rührte. Sie schmetterte das Gewehr so hart wie möglich gegen das Schloss und zertrümmerte dabei den hölzernen Schaft. Bei ihrem letzten Hieb schüttelte sich die Sprite so heftig, als hätte sie ein Feuerkrake ergriffen und wirbelte sie nun herum. Eine gedämpfte Detonation warf Amelia neben dem toten Matrosen aufs Deck. Dann war wieder alles still, eine unnatürliche Ruhe, die nur von dem unheimlichen roten Licht gefüllt wurde.
    Ein Kopf tauchte in der Bodenluke auf – es war der Smutje, der grauhaarige Koch, der noch immer seine ölbespritzte Schürze trug. Er sah den Flur entlang, entdeckte den toten Matrosen und den Karabiner, den Amelia immer noch umklammert hielt, dann zog er sich hinauf und rannte angsterfüllt zu dem Luk, das zur Tauchkugel führte. Er schluchzte beinahe, als er die Zerstörung sah, die noch von dem Schließmechanismus übrig war. Amelia stand auf und hielt ihn mit dem Karabiner in Schach, aber er war so entsetzt, dass er nicht einmal erkennen ließ, ob er sich der Waffe bewusst war.
    »Haben Sie das rote Licht denn nicht gesehen?«
    Amelia sah zu den Leuchtstreifen hoch. »Das rote Licht?«
    »Wir sind verdammt nochmal auf Schleichfahrt!«, stöhnte der Koch. »Über uns sind ein paar Saatschiffe,
und Ihre Schüsse haben uns jetzt an die verraten. Sie haben unsere Maschinen mit Wasserbomben erledigt, wir sind tote Beute in der Tiefe.« Während er sprach, zog er an der Tür, aber das hatte keinen Zweck. Auf diesem Weg konnten sie nicht entfliehen. Ein zischendes Geräusch ertönte aus dem Inneren des hinteren Geschützturms.
    Der alte Koch gab auf und brach verzweifelt auf dem Deck zusammen. »Jonas. Jonas. Wir hätten Sie nie bei uns behalten dürfen.«
    Sie sah den Gang entlang. Von den unteren Decks ertönten nun Schreie und Gebrüll, als die Besatzung begriff, was da geschah, und jeder Gedanke an Schleichfahrt wich allgemeiner Panik. Amelia wandte sich um. Der Koch griff nach dem Pistolenhalfter des Matrosen, den sie getötet hatte. »Tun Sie das nicht, Smutje. Ich schieße, wenn ich muss,

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