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Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Titel: Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hunt
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voranschreiten, wie wir auch in ihn hineingeboren wurden. Wir sind weder Catosier, die sich dem Schimmerkraut verschreiben,
noch Cassarabier, die das Erbe ihrer Kinder mit den Mutationen der Mutterschoßmagie verderben.«
    »Ich musste es tun«, sagte Amelia.
    »So hat es den Anschein.«
    »Für den Traum«, fuhr Amelia fort. »Um Camlantis zu finden.«
    »Ich denke vielmehr, das hier ist der Traum«, erwiderte ihr Vater und deutete auf das Haus am Mouse Place.
    »Bitte sei echt«, flehte Amelia.
    »Das ist nicht möglich.«
    »Bist du jetzt ein Geist? Du hast immer gesagt, dass es sie gibt.«
    »Nicht alles von uns schreitet den Zirkel entlang«, sagte ihr Vater. »Manches von unserem großen Bauplan bleibt als Abdruck auf dem großen Meer des Bewusstseins zurück, auf der universellen Seele, bevor wir wieder ins Reich der Vielzahl und der Bruchstücke hinabgezogen werden.«
    »Dann bist du ein Geist. Du bist tot«, schluchzte Amelia. Wenn das hier ein Traum war, wieso sah sie dann Farben? Es gab in Träumen keine Farben, das wusste jeder. Die Bücherregale waren aus brauner, polierter, jackalianischer Eiche, und die Bücher …
    »Nein«, sagte ihr Vater, »nicht tot. Du weißt es doch besser. Ich habe nur eine Art der Kleidung gegen eine andere eingetauscht.« Er streckte die Hand aus und berührte ihr Haar. »Ich lebe hier, in den Bienen auf den Blüten und den Mücken über der Wiese und in Tausenden von Kindern, die seitdem geboren wurden. Wenn
man einen Kelch Wasser in einen Fluss gießt und den Kelch dann wieder füllt, enthält dieser Kelch dann dasselbe Wasser?«
    »Das Wasser ist Bewegung«, sagte Amelia. »Der Strom ist im Fluss. Es ist der Wandel.«
    Ihr Vater lächelte. »Ich freue mich, dass die Zeit nicht ganz vergebens war, die du unserer zirklistischen Vikarin auf ihrer Kanzel gelauscht hast.«
    »Du hast die Kirche nie gemocht«, sagte Amelia. »Du hast immer gesagt, du gehst nur hin, weil deine Wähler an jedem Zirkeltag dort für volle Bänke sorgen.«
    »Ich habe diese Menschen auf den Bänken nie besonders gemocht«, korrigierte sie ihr Vater. »Eine Einstellung, die zu meinem Bedauern übergegangen ist auf dich, die du mehr für deine Bücher lebst als für jene, die mit dir vielleicht ihr Leben hätten teilen wollen. Mit den Überzeugungen der Kirche habe ich kein Problem. Der vierte Koan hat mir sogar immer sehr gefallen: ›Wenn du ein anderes Geschöpf verletzt, verletzt du dich selbst.‹ Mir schien es immer so, als hätten wir diesem Spruch auch nicht ein einziges Mal genug Aufmerksamkeit geschenkt.«
    »Ich träume nie von dir. Manchmal wache ich morgens auf und kann mich nicht einmal mehr daran erinnern, wie du aussahst. Bitte bleib bei mir«, flehte Amelia.
    »Auf gewisse Weise werde ich das, auf andere nicht«, sagte ihr Vater. »Selbst ein Echo muss einmal verhallen. Du fürchtest dich, wach zu bleiben, weil du Angst vor den Prüfungen hast, die dir bevorstehen, aber das solltest
du nicht. Du musst deinen Kopf freimachen und deine Überzeugungen verbrennen.«
    »Aber Camlantis«, wandte Amelia ein. »Ich bin gefangen, sitze nutzlos hier herum. Camlantis ist nun schon so nahe, und der Traum …«
    » … ist dir näher, als du denkst«, sagte ihr Vater. »Alles Fleisch ist ein Gefängnis, und deine Wünsche sind die Gitter. Träume, Wünsche, die Bürden des Fleisches, all das erscheint mir nun so fern. Denke nur einfach daran, dass der Traum, dem du nachjagst, nicht der Traum ist, den du finden wirst.«
    »Was werde ich denn dann finden, Vater? Was werde ich in jenem Land finden, wo einst Camlantis lag?«
    »Ein Loch, mit einem See gefüllt. Das Leben gibt dir stets, was du brauchst, aber nie das, was du willst. Ich denke, du wirst vielleicht die Wahrheit finden.«
    »Meine Wahrheit oder deine?«, fragte Amelia.
    »Na endlich, das klingt wieder nach meiner Tochter«, sagte ihr Vater. »Nach dem Mädchen, das weiß, dass man nichts erreicht, wenn man herumsitzt und sich leidtut.« Er verließ die Bibliothek, und seine Umrisse wurden mit jedem Schritt blasser. »Gibt es etwas, das ich für dich tun kann, bevor ich gehe?«
    »Siehst du Mama manchmal?«
    »Weißt du, ich sehe sie verdammt nochmal überall, wohin ich auch schaue«, sagte ihr Vater, dessen Stimme nun ebenso wie ein Echo klang wie der Abdruck seiner Seele. »Im Rauschen der Bäume und im Lied jedes verderbenden Stückchen Kohlenstoffs, im Schwanken eines
neugeborenen Fohlens und im Schaum eines Krugs Bier. Aber vor

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