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Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Titel: Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hunt
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versuchen sollten, sich einzumischen.«
    Nun, da die meisten Gefangenen ermordet worden waren, senkte sich Grabesstille über den großen Saal.
    »Sich wo einmischen?«, rief Amelia. »Ist das hier Ihr camlantisches Paradies? Eine exotische Hinrichtungskammer, die über den Himmel schwebt?«
    »Ah, zumindest ein Verstand, der in Ihrem hübschen Kopf herumschwebt, hat etwas begriffen«, sagte Quest. »Wie ich bereits sagte, bevor man mich so rüde unterbrach, liegt der Schlüssel wohl im Empfindungsvermögen. Ihr Volk hat sehr gut gearbeitet, Kind des Pairdan. Der camlantische Nebel richtet sich nur gegen vernunftbegabte Wesen. Ein Gänsehüter, der seine Schar zum Markt treibt, würde von diesen Dämpfen sofort getötet, während seine Tiere unbeschadet überlebten. Denn was wäre es auch für eine Welt, in der kein Vogel sänge?«
    
    »Hier«, sagte Quest und rollte mehrere Blätter mit Tabellen und Zahlenreihen auf dem Saalboden aus. »Die
Berechnungen, die Ihr Volk vor so vielen Jahren angestellt hat. Die Zahlen, die ich in Ihrem Kristallbuch fand, haben sich kein Iota geändert, seit ich sie mit den neuesten Werten für die Welt, wie sie jetzt ist, auf den aktuellen Stand gebracht habe.«
    
    »Da bin ich anderer Meinung. Hier ist die geschätzte Zahl der Toten, die auf unserem Kontinent jedes Jahr durch Krieg umkommen, hier die, die an Hunger und Mangelernährung sterben, hier die Zahl derer, die an Krankheit zugrunde gehen und hier sind die Sterblichkeitsziffern, die durch Armut zustande kommen.«
    Amelias Hand hob sich aus eigenem Willen, um auf das schwarze Feld zu deuten, das die Hälfte der Tabelle bedeckte.
    »Der Tod aller lebenden, denkenden Wesen außerhalb dieser Kammer«, sagte Quest. »Aber das war doch wohl eine rhetorische Frage von Ihnen.« Seine Hand schoss zu der Linie hinab, die aus dem schwarzen Feld hinauswanderte. »Hier ist die Entwicklung der Ersatzbevölkerung, die in einer Gesellschaft nach camlantischem Modell lebt.«
    Amelia fühlte Übelkeit in sich aufsteigen. Wie kämpfen überhaupt Pazifisten? Ganz und gar. Die Ersatzbevölkerung würde aus diesem Grabmal hervortreten, die Nachfahren jener Menschen, die hier auf Eis lagen wie Aale beim Fischhändler.
    »Binnen dreihundert Jahren wären wir wieder in der Gewinnzone«, sagte Quest. »Alles danach ist zahlenmäßiger
Zuwachs. Keine Armut mehr, kein Krieg … kein Elend.«
    Amelia sprach wieder mit ihrer eigenen Stimme, aber sie sprach nun für sie beide. »Sie können kein neues Camlantis auf den Pfeilern eines solchen Massenmordes errichten.«
    »Sagen Sie mir nicht, was ich tun soll!«, brüllte Quest sie an. »Ich habe versucht, nach den Regeln zu spielen, aber Sie ändern sie ja ständig!«
    
    »Sie verdammter Heuchler«, bellte Quest. »Sie und Ihre camlantischen Rebellen haben mit den Zahlen Ihrer eigenen Berechnungen gespielt. Ein paar Millionen Tote in dieser Stadt, um die vielen weiteren Millionen in der Welt draußen zu retten? Aber für welche Art der Existenz bewahrte man denn diese Leben? Dafür, dass ich zusehen musste, wie meine Schwester sich jede Nacht in einem Seitengässchen in den Schlaf weinte, weil sie nicht genug zu essen hatte, dafür, dass ich hungerte, während auf der anderen Straßenseite helle Laternen die brechend vollen Restaurants beleuchteten? Dafür, dass ich zusah, wie mein älterer Bruder an der Wassermannkrankheit zugrunde ging, weil das einzige Wasser, das wir zu trinken hatten, aus der Gosse stammte? Dafür haben Sie uns gerettet? Sie unsterblicher Idiot. Sie hätten die Schwarzöl-Horde auslöschen können, Sie hätten alles auslöschen und mit dem hier als Saat wieder neu beginnen können. Wir hätten zweitausend Jahre Wohlstand und Frieden genossen, wir könnten jetzt im
camlantischen Zeitalter leben und hätten seit Jahrtausenden nichts anderes kennengelernt.«
    
    »Ich kann Ihnen verzeihen, dass Sie all Ihre Brüder und Schwestern in Camlantis töteten. Es waren Ihre Verwandten, die Sie ermordeten. Aber all die Generationen von uns, die folgten, die im Dreck wühlten und in jenem Elend, das Sie

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