Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Festungsmauer zu der Gruppe hinunter und blickte in das rot angelaufene, zornige Gesicht von – wie war das möglich? – Oberst Tarry!
    Der Oberst Tarry, der näher bei ihm stand, packte den Soldaten an seinen Stiefeln und warf ihn über die Zinnen. Seine blaue Uniform flatterte, als er weiter unten auf das Pflaster stürzte.

     
    Roburs ausgemergelte Gestalt trat unwillkürlich einen Schritt zurück, als Oberst Tarrys Gesicht zerschmolz und sich neu formte – zu einem Spiegelbild von Robur selbst, mit seinen tief in den Höhlen liegenden Augen und den eingefallenen, ausgezehrten Wangen.
    »Wer sind Sie?«, verlangte Robur zu wissen.
    »Ich habe viele Gesichter und trage viele Namen«, zischte ihm sein Doppelgänger entgegen und schubste ihn weg von den Stufen und den laufenden Soldaten. »Sie können sich später nach ihnen erkundigen, falls Sie überleben.«
    »Jetzt wird man uns beide erschießen, Sie Narr.«
    »Oh, was ich denen schuldig war, haben sie mit aller Härte eingetrieben.« Roburs Spiegelbild lachte; ein Finger seiner linken Hand streckte sich und gab einen eisernen Lauf preis, der zu beben begann und blaue Kugeln von der Größe einer Murmel in Richtung der anrückenden Wärter schleuderte. Die Kugeln zerplatzten und verhüllten die Stufen mit einem Nebel aus Gas.
    Während der echte Robur sich zu einem kleinen Türmchen in der Nähe geschubst fühlte, konnte er nicht umhin, die Konstruktion dieses mechanischen Arms zu bewundern. Man merkte kaum, dass er künstlich war, selbst wenn man wusste, wohin man schauen musste, um die Anzeichen für die mechomantische Arbeit zu bemerken. Kugeln aus den Gewehren der Wachleute prallten hinter ihnen an die Mauer und ließen einen Hagel aus Granitsplittern auf sie niedergehen. Die Soldaten schossen blindlings durch das Gas.
Robur wandte sich um. Sein verrückter Retter zog ein Bündel herauf, das mit einem Seil außen an der Mauer der Zitadelle gehangen hatte. Nachdem die Schnüre gelöst waren, wurde eine gerüstähnliche Struktur sichtbar, mit Seide behängt, die nur darauf wartete, aufgeklappt zu werden. Robur hatte so etwas einmal in einer Zeitschrift gesehen, lange vor der Revolution – aber nur eine einzige Nation auf der Welt hatte Verwendung für eine solche Konstruktion.
    »Der Segeldrachen eines Luftschiffs! Sie sind aus Jackals! Man sagte mir, dass Sie kommen würden, aber ich habe nicht geglaubt, dass mi –«
    »Sie sagten, ich würde kommen?« Der Doppelgänger packte ihn und streifte ihm ein ledernes Geschirr über die Schultern, mit dem er Robur an einer ähnlichen Vorrichtung festschnallte, wie er sie selbst unter seiner falschen Oberstuniform trug. Sein Gesicht war vor Wut verzerrt. »Wer sagte, ich würde kommen?«
    »Einer der Wächter wurde bestochen.« Robur hatte nun schreckliche Angst, dass ihn sein seltsamer Retter auf den Zinnen der Darksun-Festung zurücklassen würde. »Sie sagten, es würde jemand aus Jackals kommen und mich holen. Ich hielt es für einen neuerlichen Versuch, mich mürbe zu machen.«
    Sein Spiegelbild hob ihn hoch, und dann stürzten sie beide von der Festungsmauer. Die Seide entfaltete sich zu einem dreieckigen Segel, das knisternd über ihren Köpfen flatterte. Sie fielen, fielen immer tiefer, doch dann begannen sie im eiskalten Nebel, der um die
Berge strich, zu steigen. Robur schrie, aber seine Stimme verschluckte der Wind und das wilde Siegesgeheul seines Befreiers.
    »Wenn ich Sie fallen lasse, Robur, dann werden Sie verdammt nochmal zerschellen. Ich weiß nicht, wieso Ihre närrische Familie dem Komitee für öffentliche Sicherheit nicht auch noch eine persönliche Einladung geschickt hat, damit sie Zeuge Ihres Ausbruchs werden können.«
    Ihr haarsträubender Flug endete zehn Minuten später am Fuße eines der hohen Gipfel. Die harte Landung ließ Robur in den Zaun einer Ziegenherde rollen. In der Nähe war ein Sechser angebunden. Das Pferd scharrte mit den Hufen, die alle sechs mit teurem, schimmerndem Stahl beschlagen waren, und ließ erkennen, dass es am liebsten sofort losgaloppiert wäre.
    Robur kam stolpernd auf die Beine und sah sich zu seinem gefährlichen Spiegelbild um. »Wer sind Sie?«
    Die Gestalt zog etwas aus der Satteltasche des Pferdes und wirbelte herum, und eine Dämonenmaske grinste ihm entgegen. Feueratem-Nick. Der Teufel höchstpersönlich.
    »Hier ist mein wahres Gesicht.«
    Robur hatte es besser gefallen, als der Dämon noch sein eigenes getragen hatte. Er stand mit dem Rücken