Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Titel: Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hunt
Vom Netzwerk:
entgegen; er hatte seine Flügel so weit wie möglich zurückgefaltet, um keine der Ziergegenstände auf den Tischchen umzuwerfen. Die Haushälterin und der Laschlit trafen sich in der Mitte, direkt vor dem Zimmer ihres Herrn.
    »Sie haben es auch gehört?«, fragte die Haushälterin.
    Septimoth legte ein Ohr an die Tür. »Es ist der Traum, Damson Beeton. Er hat wieder diesen Traum.«

    »Es ist doch nicht in Ordnung«, schalt Damson Beeton, »dass ein Mann wie er derart leidet. Können Sie ihn nicht dazu bringen, dass er einen Seelenklempner aufsucht? Mit seinem Geld könnte er sich die beste Praxis von ganz Middlesteel leisten.«
    Septimoth schüttelte den Kopf. »Es gibt Dinge, deren Heilung selbst außerhalb der Macht der besten Ärzte für Geist und Seele steht.«
    »Er hat den Traum nun schon einmal in der Woche. Es war ja schon schlimm genug, als er ihn nur einmal im Monat bekam.«
    »Er macht sich in letzter Zeit Sorgen, denke ich«, sagte Septimoth.
    Die Haushälterin deutete anklagend mit dem Zeigefinger auf den Laschliten. »Sie beide sind so vertraut miteinander wie Diebe, was Ihre zirkelverdammten Geheimnisse angeht. Glauben Sie nicht, ich würde das nicht bemerken! Was ist das für ein Traum, Sie schlauer alter Vogel? Master Fortune will es mir nicht sagen … aber Sie wissen, was es ist, das sehe ich doch. Es hat etwas mit Ihrem blinden Auge zu tun, oder nicht?«
    Septimoth kratzte sich hinten am Hals an der Falte, an der sich sein sehendes Auge hätte befinden sollen, jenes Organ, das den Jägern der Lüfte ihre perfekte Rundumsicht ermöglichte – und nicht nur das, so munkelte man: Angeblich verfügte es noch über ganz andere Kräfte. Beispielsweise über die Fähigkeit, in die Zukunft zu sehen. »Nicht direkt, Damson. Ich habe es
Ihnen schon einmal erklärt, ich verlor dieses Auge, weil mir die Umsicht fehlte.«
    »Bei den Zähnen des Zirkels«, knurrte die Haushälterin erzürnt. »Verdammt seien Ihre Augen, Septimoth, die beiden, die Ihnen noch geblieben sind, und das eine, dessen Verlust Sie zu einem nutzlosen Diener in dieser alten Hütte gemacht hat. Ich gehe ins Bett und will von Ihrem verlogenen Geschwätz nichts mehr hören, bevor ich uns dreien das Frühstück zubereite.«
    Stunden später wälzte sich Cornelius Fortune immer noch von einer Seite auf die andere, gefangen in einem Traum, ganz wie seine beiden Bediensteten gemutmaßt hatten. Ein Alptraum, der zur Gewohnheit geworden war.
    Cornelius ging über ein frisch gepflügtes Feld – das mühsam mit Menschenkraft bestellt worden war, nachdem man alle Pferde aus Nahrungsmangel geschlachtet hatte –, und der Dorfdepp, den das örtliche Komitee dazu bestimmt hatte, sich um den Obstgarten zu kümmern, führte ihn zu dem Baum hinüber, den er suchte.
    »Das ist er«, sagte der frischgebackene Bauer, der einen traurigen Blick über die verdorrten Stümpfe gleiten ließ, die hier wuchsen – verwittert und tot, außer einem. Er hob die Hand, an der sich nur noch drei Finger befanden, und zeigte damit auf den einsamen Baum. »Aber sehen Sie nur, wie dieser eine wächst. Ist er nicht schön? Er ist der Einzige, der hier gedeiht.«
    »Sehen Sie nur, wie dieser eine wächst«, stöhnte Cornelius, der seine Finger in die trockene Erde rund um
den Stamm grub. Niemand in diesem Land wusste noch, wie man etwas anpflanzte. Die Setzlinge in diesem Obstgarten waren nicht einmal tief genug eingegraben worden, dass ihre Wurzeln hätten Halt finden können. Ein einzelner Junge kümmerte sich nun um Ackerland, das früher von hundert Arbeitern bestellt worden war, während seine Landsleute engagiert darüber stritten, nach welchen berühmten Revolutionären man die Felder benennen sollte, oder Verordnungen erließen, um die Ernte schneller wachsen zu lassen, oder Gesetze ausarbeiteten, damit der Regen sich gleichmäßiger über das ganze Land verteilte.
    »Deswegen wusste ich gleich, wo ich Sie hinbringen musste, er ist der einzige Baum, der in der Ruhmreichen Plantage der Revolution von Sechsundsechzig, zugehörig zur Bauernkooperative der Heldin Justine Taniayay, wirklich wächst«, sagte der Junge, der seinen Spruch mit viel Mühe richtig aufsagte. »Sie sagen, ich sei blöde, aber ich kann mich noch an sie alle erinnern, an die Namen auf den Säcken, auf den Säcken, die so gestunken haben. Über den toten Baum da hinten wurde ein Baron ausgeleert. Der Baum daneben bekam die Frau, der die Schaukelpferdfabrik gehört hatte; ich bin mal auf so

Weitere Kostenlose Bücher