Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman
mir über ein kleines Missverständnis zu sprechen, wegen ein paar Taschenbüchern, die in den Gässchen von Rottonbow verschwunden sind. Da hatten sie allerdings ganz und gar den Falschen erwischt.«
»Eine Woche …«
Demnach musste diese Sache knapp einen Tag, nachdem er über den Fluchwall gegangen war, um Robur aus Quatérshift herauszuholen, passiert sein. Eigentlich gab es niemanden außer ihm selbst und Septimoth, der so genau über seine Aktivitäten Bescheid hatte wissen können. »Hat dein Freund noch etwas anderes gesagt?«
»Nur, dass Sie wüssten, was nun zu tun sei«, sagte Smike.
»Da hat er sich geirrt«, murrte Cornelius, »ich will verdammt sein, wenn ich weiß, was ich als Nächstes tun soll. Wie viel hat dir der Mann dafür gezahlt, dass du dir diese Botschaft einprägst?«
»Fünf Sovereigns«, log Smike.
Cornelius’ Augen zwinkerten belustigt. »Verdammt noch eins, da bist du ja nur ein kleines bisschen teurer als die Penny-Post.« Er ging zu einer Kommode hinüber und zog fünf Münzen aus einer Schublade, die er dem Jungen gab. »Das hier bekommst du, damit du
die Nachricht vergisst, ebenso wie die Adresse meines Hauses.«
»Adresse?«, fragte Smike, der die Münzen einsteckte. »Wir sind hier doch in den Tälern des Oberlands, oder?«
»Direkt an der südlichen Grenze, würde ich sagen«, nickte Cornelius. Er warf Septimoth einen Blick zu. »Bitte die Damson, unseren jungen Freund zum Anleger zu bringen und ihm ein Boot zu rufen. Aber sag ihr, sie soll vorher noch einmal durch seine Taschen gehen.«
»Sie sind ein echter Gentleman«, sagte Smike.
Cornelius sah zu der entfernten Silhouette der Stadt hinüber, die sich auf der anderen Seite des Flusses erhob – die verfallenden Elendsquartiere, die modernen Druckluftgebäude, die leicht im Nebel schwankten, die dunklen Umrisse eines Aerostats der Handelsflotte, der vor dem Halbmond dahinzog.
Septimoth kehrte zurück, nachdem er zweifelsohne einen Rüffel dafür kassiert hatte, dass er die Haushälterin zu dieser unangemessenen Stunde geweckt hatte. »Du irrtest dich, als du sagtest, dass sich die einzigen Menschen, die von unserem Leben in diesem Haus wüssten, innerhalb dieser Mauern befänden.« Der Laschlit deutete in Richtung Decke.
»Ich habe eine Übereinkunft mit dem Wolkengericht«, sagte Cornelius. »Ich mache ihnen keinen Ärger, und sie lassen mich auch in Ruhe. Sie finden das Tänzchen, das wir mit dem Ersten Komitee von Quatérshift tanzen, höchst amüsant. Es passt in ihre Pläne.
Aber ihre Geduld ist nicht endlos. Sollten wir damit beginnen, gegen die Schläger der Verbrecherbanden in Middlesteel loszuschlagen, dann würde es nicht lange dauern, und die ersten Balladen und Groschenheftchen mit dem Gesicht von Feueratem-Nick auf der Titelseite lägen in den Körben des Zeitschriftenhandels. Wir brauchen eine sichere Basis auf dieser Seite der Grenze, um gegen Quatérshift vorzugehen. Ein Leben auf der Flucht würde unsere Schlagkräftigkeit erheblich beeinträchtigen.«
Septimoth dachte über die Worte seines Freundes nach. Dank ihrer mächtigen Schwingen zählten er und seine Artgenossen zu den Einzigen – von den Agenten des Wolkengerichts selbst einmal abgesehen –, die je die miteinander verbundenen Aerosphären der großen Stadt der Lüfte gesehen hatten, die weit außerhalb der Reichweite normaler Aerostaten dahinschwebten. Die Weisen der Laschliten erinnerten sich an eine Zeit, in der die Wächter des Himmels sich noch nicht so weit oben in den Wolken aufhielten. Jene Geheimorganisation, die Isambard Kirkhill dereinst geschaffen hatte, um den Sieg zu festigen, den das Parlament im Bürgerkrieg errungen hatte, war für die Menschen in Jackals etwas, worüber man allenfalls Vermutungen anstellte, und von den Agenten, den Wolfschnappern, sprach man in den Jinn-Kneipen nur flüsternd. Der Wolkenrat gab sich allein durch seine Taten zu erkennen. Verschwundene Aufrührer, die aufgebrochene Tür der Wohnung eines bestechlichen Politikers, Patentpiraten, die kurz vor
dem lange geplanten Durchbruch plötzlich nicht mehr auffindbar waren. Wie die großen Weisen des Volks der Winde versuchte auch der Wolkenrat, in die Zukunft zu sehen. Nicht mit einem prophetischen dritten Auge, aber mit mächtigen Berechnungsmaschinen, deren Dampf eine ständige, verhüllende Wolke um die Stadt der Lüfte erzeugte. In jenem Nebel lag die Zukunft, so hieß es. Cornelius hatte natürlich völlig Recht. Sie konnten es beide nicht
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