Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman
lapidar. »Ich habe den Kampf lediglich nach jenen Regeln weitergeführt, wie sie in Isambard Kirkhills Buch verzeichnet standen. Wir wurden im Handstreich von Herrschern zu Flüchtlingen
gemacht. Ich habe mich nicht für dieses Leben entschieden, Süße, ich wurde hineingeboren. Mein edles Blut machte mich zum Flüchtling, noch bevor ich laufen konnte, ebenso wie meine Mutter und vor ihr meinen Großvater – es machte mich zum entflohenen Sklaven, den jeder Meuchler oder Kopfgeldjäger hätte abliefern können, entweder tot und mit abgezogenem Skalp oder lebend, damit man ihn in die parlamentarische Zuchtbullenmenagerie königlicher Abartigkeiten steckt. Die Exilflotte war das Einzige, was uns noch geblieben war, und Black und seine weichherzigen Freunde am Hofe waren daran schuld, dass uns das Parlament bis Porto Principe verfolgen konnte – und uns an der Oberfläche erwischte, bevor die Stadt hätte untertauchen oder überhaupt nur die Schotten hätte dichtmachen können. Die KAM tauchte mit besonderen Flossenbomben auf, die bis zum Meeresgrund sinken und erst dort detonieren. Es war keine Schlacht, es war ein Schlachtfest.«
»Der Kommodore hat Sie gerettet«, hielt Amelia dagegen, »indem er Sie aus der Flotte entfernen ließ. Sie waren nicht in Porto Principe, als der Angriff begann.«
»Die Ironie dieses Umstands ist mir nicht entgangen«, knurrte Bull. »Nun haben alle, die überlebt haben, der Sache abgeschworen; wir dienen nur noch uns selbst. Früher haben wir gutes Geld damit verdient, die wilden Panzer auf dem cassarabischen Sklavenmarkt zu verkaufen, aber ich würde sagen, dass der Schatz dieser alten Stadt, zu der Sie uns führen, wohl auch ein paar Schillinge wert sein wird, was?«
»Es gibt dort nichts, was Sie auf den Straßen von Middlesteel verscherbeln könnten, Kammerlan. Wir suchen Wissen, das Geheimnis der perfekten Gesellschaft.«
»Ach, tatsächlich?« Bull lachte. »Abraham Quest ist doch nicht der reichste Mann in Middlesteel geworden, weil er seine Nase in Philosophiebücher gesteckt hat. Wir hatten in Jackals bereits die perfekte Gesellschaft, bevor Isambard Kirkhill die Massen aufgewiegelt hat und unseren Thron stahl, um ihn Ihrer Krämerversammlung zu übereignen.«
»Passen Sie auf, was Sie da sagen, Sklavenhändler.«
»Und mit wem spreche ich hier überhaupt, Hütertochter? Was hat Ihr Vater je aus dieser Demokratie der Höker und Straßenhändler herausbekommen? Eine Kugel durch den Kopf un…«
Amelia packte den Tauchbootfahrer an der Kehle und stieß ihn gegen den Karren. Seine Matrosen hoben ihre Dreizacks gegen sie, während Veryanns Söldnerinnen ihre langen Gewehre auf die Crew richteten. »Ich sollte dir die Kehle zertrümmern, du Wurm, und das zu Ende bringen, was die Königlich-Aerostatische Marine in Porto Principe angefangen hat.«
»Das ist also Ihre Art der Dankbarkeit«, keuchte Bull. Er wehrte sich verzweifelt, konnte aber dem Griff der unnatürlich dicken Arme der Professorin nicht entkommen. »Das nächste Mal, wenn ein Haufen craynarbischer Wilder auf Sie anlegt, sehe ich dabei zu, wie Sie für deren Töpfe filetiert werden.«
Amelia ließ den hustenden Meersäufer fallen. »Wenn Sie meinen Vater noch ein einziges Mal erwähnen, wird die Erinnerung daran nicht annähernd genügen, um Sie am Leben zu lassen.«
Bull rieb sich die roten Striemen an seinem Hals. »Gesprochen wie eine wahre Parlamentarierin, Süße. Ich werde mir das ganz sicher merken.«
Beide Seiten ließen nun die Waffen sinken und setzten ihren Weg zu den Quellen fort. Der unebene Pfad führte über zermalmte Bäume und Schlingpflanzen und verbreiterte sich zu einer Lichtung am Fuße eines Hügels, in deren Mitte sich ein kleiner Tümpel befand, der von einem Wasserfall gespeist wurde. Auf der linken Seite ragte eine Reihe von Säulen aus dem Teich, und als Amelia näher kam, entdeckte sie, dass das Quellwasser einen Mosaikfußbogen bedeckte und golddurchwirkte Marmorstufen zu einem künstlichen Becken hinunterführten. Wie schon die Statue am Ankerplatz der Sprite auf dem Shedarkshe, konnte sie auch dieses Bauwerk keiner ihr bekannten geschichtlichen Periode zuordnen.
Amelia trat ins seichte Wasser, zog ihr Messer und versuchte, ein Stück aus dem Mosaik herauszubrechen, aber die Klinge war dieser Aufgabe nicht gewachsen. Fasziniert betrachtete sie die Steinchen nun näher und schenkte der Tauchbootbesatzung, die auf der anderen Seite des Teichs eine Pumpe mit fauchenden Kolben
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