Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Titel: Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hunt
Vom Netzwerk:
ich noch jünger war, Mädel, hätte ich es nicht nötig gehabt, mich auf dem Schachbrett des Ruhms zu beweisen. Ah, ich war damals ein sehr flinker Kerl, mit einem Schwertarm, der zwanzig Gegner in einem Duell besiegen konnte, und einem Zwinkern in den Augen, mit dem ich selbst das Herz einer Frau wie Veryann zum Schmelzen gebracht hätte.«
    »Du wirst all dein Glück brauchen, wenn du mit Abraham Quests zahmer Kobra in die Kissen klettern willst«, sagte Amelia, aber sie wurde in ihren guten Ratschlägen unterbrochen, als das Tauchboot plötzlich bebte und
das Wasser draußen vor dem Bullauge immer heller zu werden begann. »Wir tauchen auf?«
    »Das tun wir, Professorchen. Eisenflanke sagt, im Inland gäbe es einen Frischwasserteich, etwa eine halbe Stunde von unserem Standort entfernt. Unser Dampfmann-Führer hat sich von einem kleinen Schwächeanfall erholt, nachdem Veryann einen Vorrat Quecksilber bei ihm fand und es ihm weggenommen hat. Die Wassertanks meiner Liebsten könnten jetzt einmal wieder aufgefüllt werden. Dieser gefährliche Fluss ist so fieberverseucht wie die Feuersee im Hochsommer. Du solltest für eine Wache auf Deck gehen und zusehen, dass du mit ein bisschen frischer Luft einen klaren Kopf bekommst.«
    Amelia wollte ihren Alkoven verlassen und hätte sich beinahe den Kopf an einer Kupferverzierung gestoßen, einer Nachbildung der Lanzenkriegerin, die vorn am Bug der Sprite als Galionsfigur montiert war; allerdings war dieser Wassergeist von einer Schule spielender Delfine umgeben. Sie wollte die Figuren wieder richten, aber der Kommodore hielt ihre Hand fest.
    »Lass dir die Glücksdelfine nicht auf den Kopf fallen, Amelia. Du hast dich gerade erst wieder erholt.«
    Die Professorin richtete sich am Alkoven auf und stand zum ersten Mal seit Wochen wieder in der Senkrechten; das Blut stieg ihr in den Kopf. Auf der anderen Seite der Kapitänskajüte hatte sich Veryann erhoben und überprüfte die zwei Pistolen in ihren Brusthalftern. Sie warf Amelia einen unergründlichen Blick zu. Die
Söldnerin betrachtete sie doch nicht etwa als Mitbewerberin um die Gunst des Schiffskommandanten?
    Auf Deck stellte Amelia fest, dass der Fluss an dieser Stelle viel breiter war als noch bei Rapalaw Junction und hier mindestens die Ausdehnung eines der großen Oberland-Lochs von Jackals besaß. Vor ihnen gabelte sich der Strom, und ein Obelisk erhob sich seitlich von dieser Stelle aus dem Wasser. Amelia hielt den Atem an. Sie ließ sich von einem der Matrosen der Wache ein lederbespanntes Fernrohr geben und fasste die Figur, die oben auf dem Granitblock stand, ins Auge. Sie war durch die Regenzeit im Dschungel abgeschliffen und verdreckt, aber die Umrisse der Statue waren dennoch deutlich zu erkennen. Es war eine Frau, die sich ein Buch gegen die Brust presste.
    Eisenflanke kam scheppernd zu ihr herüber. Er hatte sich einen Rucksack über die dreckigen Menschenkleider geschlungen, von dem Macheten, Metalltassen und Zeltnägel herabhingen. »Eine deiner camlantischen Freundinnen, Amelia Weichkörper?«
    »Nicht camlantisch, nicht mal chimecanisch«, sagte Amelia. Die Art, wie diese Statue gekleidet war, hätte beinahe jackalianisch sein können – sie wäre nicht weiter aufgefallen, wenn sie an einem Stand am Gambleflowers Früchte erstanden hätte oder durch die Gärten des Goldhair-Parks flaniert wäre. »So verwittert, wie sie ist, könnte sie sogar älter sein als diese beiden Zivilisationen. Süßer Zirkel, wie viel Geschichte liegt unter diesem Dschungel begraben?«

    »Solche seltsamen Dinge gibt es überall in Liongeli«, sagte der riesige Dampfmann. »Die Statue ist vielleicht doch nicht so alt, wie Sie denken. Der Dschungel lässt die Zeugnisse unserer beider Völker schneller verrotten und abnutzen, als Sie sich vorstellen können. Wenn Sie sich hier draußen ein Haus bauten und es dann verließen, dann würde es nach nur zwei Regenzeiten tausend Jahre alt aussehen. Als Archäologin kennen Sie doch bestimmt die Geschichte von Isambard Kirkhill?«
    Amelia nickte. »Natürlich.«
    »An Ihren Universitäten lässt man dabei sicherlich eine Geschichte aus, die sich hier draußen abgespielt hat. Eine Geschichte, die wie alles andere unter dem Gewicht des Dschungels und dank seines Zerfalls vergessen worden ist. Nach dem Bürgerkrieg in Jackals gab es Spaltungen in Kirkhills parlamentarischem Bündnis – einige der extremeren Fraktionen versuchten, in Liongeli Kolonien aufzubauen. Es waren isolierte

Weitere Kostenlose Bücher