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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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ein paar barmherzige Sekunden lang schien es so substanzlos und vergänglich wie ein Traum. Doch als ich mich schließlich aus dem Bett gekämpft hatte und in den Morgenmantel schlüpfte, um triefäugig und mit zerzaustem Haar in die Küche zu wanken, fiel mir alles in wirrer Aufeinanderfolge wieder ein, und die Erinnerung presste mir ein Aufstöhnen ab.
    Zu meinem großen Entzücken war Abbey bereits auf und saß im Pyjama auf dem Sofa. Meine Hauswirtin gehörte zu der Art Frauen, die am verführerischsten wirken, wenn sie am wenigsten zurechtgemacht sind, und am unwiderstehlichsten, wenn sie gerade aus dem Bett kommen – zerrauft, zerknautscht und entfernt nach Schlaf riechend.
    »Morgen«, sagte sie.
    »Guten Morgen.« Obwohl ich stets mit allen Fasern ein Zusammentreffen herbeisehnte, fühlte ich mich immer ein wenig verlegen und sprachlos, wenn es dann endlich so weit war.
    »Wie geht’s dir?«
    »Gut«, log ich. »Waren ein paar verrückte Tage.«
    »Ich weiß.«
    Ich schluckte. »Ich könnte dir heute Abend darüber berichten, wenn du möchtest.«
    »Klar möchte ich das!«
    Mir fiel etwas an ihr auf. »Wo ist dein Piercing?«
    »Oh, das habe ich rausgetan. Hat ohnehin nicht richtig zu mir gepasst, stimmt’s?«
    Es war vielleicht nur Einbildung, aber ich war sicher, sie wurde rot.
     
    Als ich zur Arbeit kam, stand Barbara an meinem Schreibtisch und räumte gewissenhaft all meine Besitztümer in einen Karton. Schnellhefter, Topfpflanze, die Packung Papiertaschentücher, das alte Foto von Papa.
    »Guten Morgen«, sagte ich. »Was tun Sie da?«
    »Henry!« Sie wurde blass. »Haben Sie es nicht gehört?«
    Bevor ich noch fragen konnte, was sie meinte, schrie das Telefon auf meinem Schreibtisch nach Beachtung.
    Ich nahm den Hörer ab. »Henry Lamb am Apparat.«
    »Peter hier. Komm rüber. Pronto.«
    Ich legte auf und sah Barbara fragend an; sie antwortete mit einem ratlosen Heben der Schultern.
    »Dann geh ich wohl besser«, sagte ich und betrat Hickey-Browns Büro, ohne anzuklopfen.
    Eine wohlbekannte Gestalt stand neben meinem Vorgesetzten.
    »Du erinnerst dich an Mister Jasper?«, fragte Peter.
    »Guten Morgen«, sagte der Mann mit dem beeindruckenden Körperbau.
    »Morgen.«
    Mister Jasper lächelte. »Ich sehe Sie dann draußen.« Er verließ Peters Büro, nicht ohne die Tür sorgfältig hinter sich zu schließen.
    Hickey-Brown seufzte, setzte sich bequemer hin und bedeutete mir mit einer Hand, mich auf dem Stuhl ihm gegenüber niederzulassen.
    »Tut mir leid, wenn das alles ein wenig überraschend für dich kommt«, sagte er. »Wie ich hörte, hast du eine fürchterliche Woche hinter dir.«
    »Was, um alles in der Welt, ist eigentlich los?«
    Peter sah mich ausdruckslos an – ob aus Diskretion oder aus Unwissenheit, konnte ich nicht beurteilen. »Mister Jasper wird all deine Fragen beantworten.«
    »Ach ja? Wer ist denn dieser Jasper überhaupt?«
    »Sagte ich dir doch schon. Er kommt von einer Spezialabteilung. Ich würde mir keine Sorgen machen, es ist auch eine staatliche Dienststelle.«
    »Er kam zum Haus meines Großvaters. Behauptete, er stünde noch über der Polizei.«
    Hickey-Brown konnte mir nicht in die Augen sehen. »Er hat wohl einen Scherz gemacht.«
    »Einen Scherz? Und warum packt Barbara dann mein Zeug zusammen? Wollt ihr mich loswerden?«
    »Du wirst versetzt.«
    »Wie bitte?«
    »Du hast es geschafft, Henry. Deine Tage als Registrator sind vorbei!«
    »Waaas?«
    »Also ab mit dir! Er wartet schon auf dich.«
    Hickey-Brown stand auf und ging an mir vorbei, öffnete die Tür und gab mir damit glasklar zu verstehen, dass unser Gespräch beendet war.
    Ich kehrte zurück zu meinem Schreibtisch – meinem Ex-Schreibtisch –, an dem Jasper lehnte und lebhaft mit Barbara plauderte. Sie kicherte dazu, strich sich übers Haar, legte die Fingerspitze an einen Nasenflügel und machte ganz allgemein auf kokett.
    Jasper grinste, als er mich erblickte. »Da sind Sie ja!«
    Mit einem Mal seltsam mutig geworden, küsste Barbara mich keck auf die Wange. »Viel Glück, Henry!«
    Ich stand schweigend und reglos da wie eine Schaufensterpuppe. Jasper drückte mir den Karton mit meinen Sachen in die Hände. »Da haben Sie alles. Und nun sollten wir ein wenig Tempo machen.«
    »Jetzt?«
    Jasper nickte.
    Barbara drückte meinen Arm. »Ich freu mich für Sie!«, zischte sie. »Machen Sie’s gut!«
    Nervös räusperte ich mich. »Na dann, adieu, Leute!«, rief ich durch den Raum. »Ich ziehe ein Häuschen

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