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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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passiert, wenn ich nein sage?«
    »Ihnen? Ihnen passiert gar nichts. Absolut nichts. Ihrer lieben Mutter hingegen … Ihrer schönen Hauswirtin …« Er schien sich etwas zu besänftigen. »Sie werden in Bälde bemerken, dass Ihr Verdienst ein Vielfaches dessen beträgt, was Sie an Ihrer alten Arbeitsstelle erhalten haben. Und zusätzlich bieten wir eine erstklassige Altersversorgung. Kein Wölkchen am Himmel, Henry Lamb, kein Wölkchen …«
    Mir wurde ein wenig schwindlig, ich hatte das Gefühl, als drifteten der Raum und sein unsäglicher Bewohner von mir weg und würden in der Ferne immer kleiner – wie die Welt, wenn man durchs falsche Ende des Teleskops blickt.
    »Wasser …«, stotterte ich. »Sie befinden sich unter Wasser!«
    »Fruchtwasser«, zischte der Alte und verzog das Gesicht, als kehre ihm etwas weit Zurückliegendes, Ekelhaftes ins Gedächtnis zurück, das ihm seit Langem entfallen gewesen war. »Nicht meine Erfindung.« Sein Blick glitt abschätzig über meine Person. »Haben Sie Ihrem Großvater sehr nahegestanden, Junge?«
    Ich bejahte.
    Er nickte. »Und sagt Ihnen der Name Estella etwas?«
    Es gelang mir gerade noch, ein »Nein« hervorzupressen.
    »Sie müssen von ihr gehört haben! Hat er sie denn nie erwähnt?«
    »Nie.«
    Der Mann im Tank gab ein hässliches gepresstes Geräusch von sich, das, so nahm ich an, einem Seufzen entsprechen sollte. »Wenn Sie tatsächlich nichts wissen, dann könnte der Krieg bereits verloren sein.«
    »Welcher Krieg? Wen bekämpfen Sie denn? Wer ist der Feind?«
    »Sie kennen den Namen«, sagte Dedlock, Gift und Galle in der Stimme. »Sie haben das Bild des Feindes vor Augen, wohin Sie auch gehen!« Ein Zucken seiner Lippen, so als wüsste er nicht, ob er sie zu einem Lächeln oder einem bösen Grinsen verziehen sollte. »Wir bekämpfen die königliche Familie seit 1857. Wir befinden uns im Krieg mit dem Hause Windsor.«
    Ich entsinne mich noch, irgendeinen schwachen Protest hervorgewürgt zu haben, ehe meine Gliedmaßen zu Brei wurden, alles rundum vor meinen Augen verschwamm und Dunkelheit auf mich herabsank.
    Dedlock verfolgte dies mit Verachtung und Enttäuschung im Blick. »Ach je, ach je«, hörte ich ihn noch sagen, »da haben wir uns einen Schlappmacher eingehandelt.«
    Mein Bewusstsein schwand. Ich taumelte rückwärts, fiel Mister Jasper in die Arme, und das Letzte, was ich von dem Alten im Tank noch vernahm, war ein bitterer, sarkastischer Satz: »Sein Großvater wäre ja sooo stolz auf ihn …«
    Am nächsten Morgen erwachte ich Stunden später, als der Wecker mich ansonsten aus dem Schlaf plärrt, angeschlagen und benommen und mit einem dumpfen, widerlichen Gefühl in der Magengrube. Neben meinem Bett standen ein Glas Wasser, eine Packung Alka Seltzer und eine kleine, cremefarbene Karte, auf der Folgendes hingekritzelt war:
     
    Melden Sie sich Montagmorgen.
    Um 8 holt Sie ein Wagen ab.
     
    Und dann noch ein wenig überzeugendes Postskriptum:
     
    Schönes Wochenende!
     
    Nachdem ich geduscht hatte und mich zu mindestens siebzig Prozent wach fühlte, schaltete ich den Computer ein, ging ins Internet, klickte Google an und tippte »Direktorium« ein. Kein einziger Treffer. Was die effizienteste Suchmaschine der Welt betraf, so existierte die Organisation, die laut Dedlock die letzte Hoffnung für das britische Volk darstellte, überhaupt nicht.
     
    Ich aß mit Abbey zu Abend, bevor sie ausging. Nachdem ich ihren geistesabwesenden Fragen ausgewichen war, indem ich irgendetwas von einer unerwarteten Beförderung dahergefaselt hatte, erkundigte ich mich, ob ich gestern allein oder in Begleitung heimgekommen war. Sie warf mir einen sonderbar enttäuschten Blick zu. Nein, sagte sie, sie habe letzte Nacht nur mich gehört, niemanden sonst.
    Gemeinsam erledigten wir noch den Abwasch, und dann machte sie sich auf den Weg, um ihre Freunde zu treffen. Mich ließ sie vor dem Fernseher lümmelnd zurück, wo ich ziellos von Talkshows zu Komödien und weiter zu Krimiserien zappte und mich fragte, ob das alles nicht nur barmherziger Zuckerguss war, um das wahre Antlitz der Welt zu bedecken: den Dreck und den Abschaum darunter.
     
    Weil ich am Sonntag nichts Besseres zu tun hatte – und auch weil Mister Jasper es mir so gebieterisch ans Herz gelegt hatte –, fuhr ich ins Stadtzentrum und kaufte mir einen neuen grauen Anzug, zwei Hemden und frische Unterwäsche; für ein Weilchen fühlte sich mein Leben beinahe wieder normal an.
    Am Nachmittag besuchte ich

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