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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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weiter.« Meine Kollegen ignorierten mich; die einzige Antwort war das Klicken der Tastaturen, das Klingeln der Telefone und das träge Summen des Kopierers.
    Und irgendwo arbeitete sich jemand raschelnd durch eine Packung Chips. Käse und Zwiebel, glaube ich. Ich konnte es riechen.
     
    Sobald wir auf der Straße waren, packte Jasper meinen Karton und stopfte ihn in den nächsten Abfalleimer.
    »Warum haben Sie das getan?«, fragte ich, bemüht, nicht allzu weinerlich zu klingen.
    »Dort, wo wir hingehen …« Der Mann schritt im Eiltempo vor mir her. »Glauben Sie mir, dort brauchen Sie keine Topfpflanze.«
    Ich gab mir Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Wir liefen am Südufer der Themse entlang – vorbei am Nationaltheater, am großen Kino, an Restaurants, Zeitungskiosken und Pflastermalern, an Obdachlosen, die ihre Zeitung Big Issue verkauften, an Skateboardern und an Männern in pelzgefütterten Jacken, die auf dicken, runden Öfen Esskastanien rösteten –, immerzu in die Richtung, wo die große, schimmernde Konstruktion des Riesenrades stand.
    »Wo ist Ihre Dienststelle?«, fragte ich.
    »Sobald Sie sie sehen, werden Sie es wissen.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Nebenbei bemerkt«, fuhr Jasper mich barsch an, »finde ich, Sie könnten einen neuen Anzug gebrauchen. Das alte Zeug können Sie auf keinen Fall mehr tragen. Das wäre ungehörig.«
    »Aha.«
    »Dieses Mädchen in Ihrem Büro … Barbara, stimmt’s? Ich nehme nicht an, dass Sie wissen, ob sie schon vergeben ist?« Jaspers Tonfall war von unterschwelliger Drohung zu einer Beinahe-Kumpelhaftigkeit übergewechselt.
    »Wie bitte?«, fragte ich.
    »Ich meine, hat sie einen Freund? Gibt es irgendeinen besonderen Mann in ihrem Leben?«
    Mir hatte es fast die Sprache verschlagen. »Keine Ahnung.«
    »Hmmm. Würde mich interessieren.« Er schien ein bestimmtes Bild vor seinem geistigen Auge auszukosten, ehe er ausrief: »Perfekt, Mister Lamb! Dieses Mädchen war perfekt!«
    »Worüber reden Sie?« Ich fragte mich unwillkürlich, ob ich nicht irgendeinem Scherz aus dem Büro aufgesessen war – ob mich meine Kollegen zur allgemeinen Belustigung für einen Tag mit einem armen Irren zusammengespannt hatten. Immer wieder sah ich mich um nach versteckten Kameras.
    Plötzlich blieb Jasper stehen. »Wir sind da.«
    Verblüfft blickte ich auf. »Aber hier ist nur das Riesenrad!«
    »Kommen Sie rein.«
    In einer langen Reihe standen Dutzende Touristen geduldig an und schoben sich im Schneckentempo, jeweils immer nur ein paar Handbreit, vorwärts. Jasper stürzte an ihnen vorbei zum Anfang der Warteschlange, und das Komische war, dass keiner von ihnen protestierte, beinahe so, als hätten sie uns gar nicht bemerkt. Außerdem fiel mir auf, dass Jasper bei all seiner Kraftmeierei und Großspurigkeit jeden Einzelnen in der Schlange eingehend zu betrachten schien, so als suche er nach jemandem, den er kannte. Und mehr als einmal bemerkte ich, wie er sich umdrehte und nervös den Blick über die Leute hinter uns schweifen ließ.
    »Suchen Sie jemanden?«, fragte ich.
    »Den Feind, Mister Lamb. Der Feind hat uns immer im Visier.«
    »Der Feind?«, wiederholte ich. Mein Gefühl, dass sich dies alles tatsächlich als irgendein wohldurchdachter, völlig verrückter Ulk herausstellen würde, verstärkte sich rapide.
    Wir drängten uns am Ticketverkäufer vorbei, der nicht den geringsten Einwand erhob, und standen schließlich vor einer offenen Gondel, in der sich bereits eine Gruppe japanischer Touristen befand, alle ausgerüstet mit Kameras und Stadtplänen und anscheinend blind gegen unser Eintreffen.
    Jasper deutete in die Gondel. »Nach Ihnen.«
    Die Touristen ignorierten uns weiterhin.
    »Aber da ist es doch schon randvoll!«
    »Hören Sie auf mich.«
    Ich rührte mich nicht.
    »Mister Lamb, was Sie gleich sehen werden, unterliegt einer Geheimhaltungsstufe, die noch über der allerhöchsten liegt. Sollten Sie auch nur ein Wort von dem verlauten lassen, was Sie heute hier zu Gesicht bekommen, müssten drastische Maßnahmen gegen Sie ergriffen werden. Haben Sie das verstanden?«
    Ich nickte; ich fühlte mich seltsam benommen, so als befände ich mich in einem Traum und wüsste es – als könnte nichts von dem, was ich hier tat, irgendeine Auswirkung in der realen Welt haben.
    »Also dann. Treten Sie ein.«
    »Ich kann nicht! Es ist so voll da drin!«
    Jasper schien die Geduld zu verlieren. »Gehen Sie schon!« Er stieß mich voran, und ich stolperte in die Gondel.
    Zu meiner

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