Das Königsmal
Schwede sie mir nicht streitig macht. Eine vage Hoffnung – und ein Pakt mit dem Tod. Er wusste, nur das Schicksal könnte Gustav Adolfs Triumph über die Dänen verhindern.
Plötzlich zitterte Christian. Der Gedanke an die Unerbittlichkeit dieses Geschäfts erfüllte ihn mit größtem Unbehagen, immer wieder. Und obwohl die Scrivestue gut beheizt werden konnte – in seinem Rücken brannte ein mächtiges Feuer und verbreitete den Duft von Lindenholz –, schüttelte er sich. Für einen Moment blickte er von den Briefen auf und nahm einen Schluck aus dem Weinkelch. Leise drangen die Geräusche des Hofs zu ihm hinauf, gedämpft, als kämen sie aus einer anderen Welt.
Sein Studierzimmer war über ein Sprachrohr mit Küche und Weinkeller verbunden. In dieses musste er nur hineinsprechen, und sofort brachten ihm seine Köche, Mundschenke und Diener alles, was er wünschte. Wenn er unterhalten werden wollte, ließ er seine Flötisten und Lautenspieler in den Kellergewölben aufspielen und erfreute sich an ihrer Musik, die durch die erstaunliche Verbindung bis zu ihm nach oben drang.
Es gab Wochen, in denen die Musiker den Keller nicht verlassen konnten, weil es ihn immerzu nach ihrem Spiel verlangte. Sie hatten sich ihre Betten in die Gewölbe bringen lassen, um dort zwischen ihren Einsätzen zu ruhen. Christian selbst verlieh die Musik schwerelose Heiterkeit, und bisweilen tanzte er zu den Melodien – selbstvergessen und wie im Traum. Die trippelnden Schritte einer Allemande oder die wilden Sprünge des Saltarello. Hier, in diesem Raum, der durch und durch erfüllt war von seinem Sein.
Es war ein Turmzimmer, natürlich. Vertäfelt, mit Blüten, Blättern und herrlichen Fresken verziert. Ariosts Szenen aus dem berühmten Orlando Furioso leuchteten von der Decke, die Abenteuer des verliebten Ritters. Ein Reigen christlicher und heidnischer Könige, Ritter, Damen, Zauberer, fliegender Pferde und Wunderschwerter tanzte über seinem Kopf und stimmte ihn heiter, sobald er die Augen zur Decke hob.
Christian liebte das Werk Ariosts. Der Dichter hatte einen wunderbaren Roman ganz nach seinem Geschmack geschaffen, voller Rätsel, Fantasie und Erotik. Die Geschichte einer überwältigenden Liebe, eines Irrgartens der Sehnsüchte, dank empfindsamer Künstlerhände prunkte sie hier in seinem Heiligtum.
Als der König seinen Landsitz vor den Toren Kopenhagens geplant hatte, war die Geduld seiner Baumeister Bertel Lange und Hans van Steenwinkel über Jahre strapaziert worden. Immer wieder hatte er seine Pläne geändert, bis Schloss Rosenborg zu dem Ort geworden war, wo er seine glücklichsten Stunden zu verbringen gedachte. Allein das Turmzimmer und dessen Schmuck hatte Christian von Anfang an deutlich vor Augen gestanden – ja, hatte er nicht das gesamte Schloss um dieses wunderbare Kabinett herumbauen lassen? Seine geheime Treppe, seine angrenzenden Privaträume, die Kunstkammer und Sammlung seiner Kostbarkeiten, die offiziellen Säle, schließlich den Park mit seinen prächtigen Lindenalleen, Brunnen und Skulpturen, den herrlichen Blumenrabatten und Nutzgärten, in denen seine Gärtner Obst und Gemüse züchteten, außergewöhnliche Sorten aus fernen Ländern, die bis dahin nie in Dänemark angebaut worden waren. Darunter Orangen, Limonen, Pomeranzen, seltene Pflanzen, immergrün, gleichzeitig blühend und Früchte tragend und deshalb ein Bild des ewigen Lebens und Ausdruck seiner königlichen Macht über die Natur.
Der schönste Anblick auf das Schloss bot sich von den Blumen- gärten. Dann erhob sich Rosenborg mit seinen Türmen und Zugbrücken als verspieltes Ensemble aus roten Ziegeln und hellen Sandsteindekorationen. Ein himmlischer Platz: glücklicher Ausgangspunkt seiner Jagdausflüge, Schauplatz zahlreicher Ritterspiele und rauschender Sommerfeste, schützende Burg seiner Verliebtheiten, Paradies und Zuflucht. Einige Mätressen hatten hier gelebt und nach ihnen Kirsten Munk, jung und ganz aufregende Unschuld. Nachdem er sie verbannt hatte, hatte er das Datum ihrer Trennung in Stein meißeln lassen. Ein Mahnmal ihrer Untreue. Den Stein, schwer und anklagend, hatte er im Schlosshof aufstellen lassen. Nun zeugte lediglich die Flucht aufwendig dekorierter Säle und privater Gemächer von ihrer früheren Anwesenheit.
Doch jetzt zog neues Leben in ihre kalte Pracht aus Marmor, Stuck und Seide. Christian lächelte und sog den süßen Duft des brennenden Lindenholzes ein. Er konnte es kaum glauben. Hatte er tatsächlich
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