Das Königsmal
Kopenhagen reisen wollte. Gemeinsam hatten wir Schloss Rosenborg betreten, wo sich König Christian nach seiner Rückkehr zunächst aufhalten wollte. Ich zeigte ihr seine Säle und Geheimnisse, die Gärten und den Prunk, mit dem sich die Gräfin vor dem Krieg umgeben hatte. Wiebke sollte ihre Räume beziehen, so wie die Gräfin vor ihr die Gemächer von Karen Andersdatter übernommen hatte, die wiederum Kirsten Madsdatter gefolgt war, die den Platz der Königin eingenommen hatte. Sie lachte, als sie mit den Fingern über den kalten Marmor strich, und staunte über die gewaltige Sammlung von Kostbarkeiten.
„Wir werden alles in Kisten packen“, sagte sie, „vielleicht verlangt die Gräfin eines Tages nach ihrer Sammlung, und ich möchte mir nicht nachsagen lassen müssen, mir ihre Schätze angeeignet zu haben.“
Und so ließen wir allen Pomp, Spiegel und Pokale, silbernes Spielzeug, Muscheln, Korallen und Elfenbein, alles Kunsthandwerk mit der Erlaubnis Seiner Majestät in die Kellergewölbe schaffen. Allein ein Stück behielt Wiebke bei sich, ein seltsames Geschöpf, halb Fisch, halb Äffchen. Das zerzauste Wesen reizte sie, es sei, so sagte sie, genauso wenig dafür geboren, in diesem Palast zu leben, wie sie.
„Unser Dasein in diesen Räumen ist eine Laune Gottes.“
Wiebke hatte das Marmorzimmer zu ihrem Refugium gewählt. Es war jetzt weniger protzend, weniger geheimnisvoll, mehr ein Spiegel ihres klaren Verstandes, ihres fröhlichen Wesens und ihrer heiteren Bescheidenheit. Sie hatte sich von all dem Prunk nicht verführen lassen. Der König besuchte Wiebke häufig in ihren Räumen. Er speiste mit ihr, ließ sich vorlesen oder lehrte sie, Schach zu spielen. Wiebke begriff das Spiel schnell und brachte Seine Majestät auf dem Spielfeld oft in Bedrängnis.
„Schah mat, der König ist tot“, rief sie begeistert das persische Motto, wenn er geschlagen war.
Wiebke begleitete den König auf seinen Jagdausflügen oder Ausritten. Gemeinsam spazierten sie durch die Gärten, und jeder, der sie dabei beobachtete, sah ihre Innigkeit, den Gleichklang ihrer Wesen. Sie wusste, wie der König fühlte und wonach ihn verlangte. An seinem Mienenspiel, an einem Blick, an einer Geste konnte sie ablesen, was sich hinter der Maske seiner majestätischen Haltung verbarg. Ihre größte Begabung war vielleicht die des Zuhörens. Viele Probleme, die das Reich und seine Regierung betrafen, besprach der König mit ihr, und Wiebkes Verständnis für Zahlen und Bilanzen beeindruckte ihn. Immer wieder fragte er sie um Rat und führte so die Geschäfte der Krone nicht nur mit seinem Kanzler und Schatzmeister, sondern auch mit ihrer Hilfe. Christian wärmte sich an ihren Worten, und sie teilte ihren Frieden mit ihm.
Ihre gemeinsamen Nächte blieben ihr kostbares Geheimnis. Wiebke sprach nie darüber, doch ihr Strahlen am Morgen, ihre Gelöstheit und Fröhlichkeit verrieten mir, dass die Liebe sie ganz und gar erfüllte. Der König kam jeden Abend zu ihr und schickte mich fort, sodass ich mit dem Bett in der Zofenkammer vorliebnehmen musste. Ich vermisste unsere Nähe, die Abende, an denen wir zusammen im Bett gelegen, gewispert oder den Geräuschen der Dunkelheit gelauscht hatten, bevor wir uns im Traum wieder begegneten.
Dass sie ein Kind erwartete, hatte ich sofort gespürt. Da war ein neuer Klang in ihr, die Melodie des Lebens. Wiebke lachte mich aus, als ich ihr die Schwangerschaft prophezeite, doch ich behielt Recht, und einige Wochen später bestätigte sich meine Ahnung. Wiebke war glücklich, doch sie hatte auch Angst vor der Geburt.
„Nie habe ich die Schreie und die Schmerzen meiner Mutter vergessen“, sagte sie, und ihr Blick kehrte sich nach innen, und Traurigkeit überschattete ihr Gesicht.
In dieser Zeit beobachtete ich sie häufig dabei, wie sie nachdenklich aus dem Fenster schaute. Ihre Augen genossen nicht den Ausblick, sondern suchten ferne Landschaften der Erinnerung.
Und nun war alles glücklich überstanden. Erschöpft und zitternd vor Freude und Aufregung hatte ich das Marmorzimmer verlassen, um den König zu benachrichtigen. Seine Wache sagte mir, er hätte sich in sein Kabinett zurückgezogen und dort die Nacht wartend verbracht. Ich schickte einen der Offiziere ins Turmzimmer hinauf, um ihm die Nachricht von der Ankunft seines Sohnes zu überbringen.
Wenig später kam Seine Majestät die Treppe heruntergelaufen. Er nickte mir zu, lächelte, und obwohl die schlaflose Nacht ihre Spuren hinterlassen
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