Das Königsmal
hing ein Porträt des Königs. Amüsiert registrierte Wiebke, dass von Pentz sie zu dem Sessel dirigierte, der genau unter dem Bild stand. Als der Tee gekommen war und sie die Tassen in den Händen hielten, nickte er.
„Nur zu, stellt mir Eure Fragen. Aber erlaubt mir, dass auch ich Euch befrage. Ich bin immer begierig, Neuigkeiten aus Kopenhagen zu erfahren.“
Wiebke war einverstanden. Sie trank einen Schluck des starken Tees, der sie angenehm erfrischte. Sie überlegte kurz, dann stellte sie ihre erste Frage: „Eigentlich ist Hamburg als holsteinische Landstadt Seiner Majestät untertan. Warum erkennen die Hamburger seine Hoheit nicht an?“
Von Pentz ließ einen Moment verstreichen, bevor er antwortete. „Die Stadt ist sehr reich. Schon seit vielen Generationen haben sich die Hamburger mehr und mehr aus der Landesherrschaft entfernt. Das Ziel des Hamburger Rates war es immer, sich der Herrschaft des weit entfernt agierenden Kaisers zu unterwerfen und als Hansestadt so unabhängig wie möglich zu sein.“
„Diesem Treiben haben die holsteinischen Herzöge tatenlos zugesehen?“
„Ja. Sie waren immer von hamburgischen Geldern abhängig. Erst König Christian hat auf seine Rechte bestanden. Deshalb hat er auch Glückstadt gegründet, als starkes Gegengewicht zu Hamburg. Sein Nordseehafen und die Lage an der Elbe sind Gold wert.“
„Dann verstehe ich nicht, warum die Städte jetzt um das Zollrecht kämpfen.“ Wiebke schluckte ungeduldig ihren Tee hinunter. Noch hatte sie nichts Neues vom Gouverneur erfahren.
„Die Hamburger haben die Not des Königs während des Kaiserlichen Krieges ausgenutzt. Der Kaiser hat ihnen vor zwei Jahren ein Privileg zugebilligt, das ihnen die Hoheitsrechte hier auf der Unterelbe zusichert.“
„Ohne Erlaubnis der Hamburger dürfen also keine Elbzölle erhoben werden?“
„Richtig.“ Von Pentz schmunzelte über ihre Empörung.
„Aber das ist absurd.“
„Das ist Politik. Der König hat sich nicht darum geschert und trotzdem von den passierenden Schiffen Zoll erhoben. Die Hamburger wiederum beachteten dies nicht und ließen ihre Kauffahrer im Konvoi bis hinunter zur Nordsee geleiten. Außerdem haben sie selbst Zoll erhoben und Steuern auf alle holsteinischen Waren, die in die Stadt eingeführt wurden. Sie beschwerten sich beim Kaiser – und bei König Christian.“
„Vergebens.“
„Vergebens. Deshalb überfielen ihre Kriegsschiffe die vor Glückstadt auf Reede liegenden dänischen Schiffe. Die Prisen wur- den nach Hamburg gebracht, die dänische Kriegsflagge zogen sie dabei schimpflich im Wasser hinter sich her. Das war die Kriegserklärung an den König.“
„Und jetzt holt Seine Majestät zum Gegenschlag aus“, endete Wiebke. Sie bemerkte, dass von Pentz das Porträt von Christian anblickte. „Sind wir stark genug?“
„Ja.“ Seine Stimme klang fest und optimistisch. „Seine Majestät hat eine starke Flotte aufgestellt, achtunddreißig Schiffe fahren gegen die Hamburger, und sein Generaladmiral Claus Daa ist ein erfahrener Mann. Die Hamburger werden sich vorbereitet haben, aber ihre Schiffe sind kleiner, die meisten sogar nur bewaffnete Handelsschiffe. Ihr werdet sehen, in wenigen Tagen wird der König im Triumph zurückkehren.“
Wiebke betete dafür. Noch immer hatte sie den Schrecken nicht abschütteln können, der sie gepackt hatte, als Christian die Nachricht vom Überfall der Hamburger überbracht worden war. „Sie wollen Krieg“, hatte er tonlos festgestellt und sie fassungslos angesehen. Im nächsten Augenblick schon hatte er angefangen, Geld und Heer für die Flotte zusammenzubringen. Der Rigsråd war gegen einen neuen Krieg und bewilligte keine Mittel. Doch Christian wollte mit Hamburg abrechnen. Er ließ alles hamburgische Eigentum im Königreich beschlagnahmen und rüstete damit die Flotte aus. Anfang August hatte er Kopenhagen verlassen, und sie war ihm auf sein Schiff gefolgt, den Säugling im Arm.
„Uns war nur ein Friedensjahr gegeben …“, murmelte sie.
Von Pentz schaute sie mitfühlend an. Er schenkte ihr Tee nach und ließ die Lichter im Zimmer entzünden. Überrascht sah sie aus dem Fenster, sie hatte nicht gemerkt, wie die Zeit verstrichen war. Tatsächlich senkte sich der Abend langsam über die Stadt. Dunkle Schleier hatten sich über den wolkenlosen Himmel gelegt, um ihn für die Nacht einzukleiden.
„Verzeiht“, sprang sie auf. „Ich muss zurück zum Schloss, man wird mich schon vermissen.“
„Ihr habt meine
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