Das Königsmal
auch Fuhrleute, Handwerker und Marketender, ohne die kein Tross bestehen konnte. Stellmacher und Zimmerleute halfen beim Auf- und Abbau der schweren Geschütze. Schanzknechte beackerten das Erdreich bei den Belagerungen. Schmiede, Büchsenmacher, Drechsler und Sattler hielten die Waffen in Schuss und reparierten das Gerät. Bäcker, Metzger, Köche und Schankwirte kümmerten sich um den Hunger und Durst der Soldaten. Hirten hüteten das zur Versorgung in riesigen Herden mitgeführte Vieh.
Gegenüber diesem ganzen Völkchen hatte er Verpflichtungen, denen er nachkommen musste, wollte er nicht Unruhe und Fahnenflucht in seinem Heer riskieren. Und nicht zu vergessen all diese erbärmlichen Gestalten, die sich dem Tross anschlossen: Bauernmädchen, die aus geplünderten Höfen fortgeschleppt worden waren. Des Lösegelds wegen entführte und dann vergessene Kinder. Hausierer, Schwindler, Quacksalber und Vagabunden. Bagage im Sog des Krieges.
Was tun, fragte er sich nun schon seit Tagen. Die Nachrichten waren schlecht. Die zugesagten Gelder aus England blieben aus. Die Vereinigten Provinzen zahlten weniger als vereinbart, und Frankreich würde seine Unterstützungen vielleicht ganz einstellen. Kardinal Richelieu, der mächtige Erste Minister der Franzosen, konnte sich nicht offen gegen seine Kirche stellen. Als eins der größten Ziele des Katholiken galt zwar die Entmachtung der protestantischen Hugenotten, doch nach außen hin hatte Richelieu plötzlich auf der Seite der Protestanten in den Krieg eingegriffen, um Frankreichs Königsmacht gegen die Habsburger zu stärken.
„Verdammte Bande“, fluchte der König. „Wollen sie uns alle ins offene Messer laufen lassen?“
Er blickte sich um. Links hinter ihm ritt sein Stallmeister Wenzel Rothkirch. Rechts folgten die holsteinischen Adligen Sigmund Pogwisch und Wolf von Buchwald, dahinter das Gefolge, seine Dienerschaft und Leibwache. Die Männer kannten seine Sorgen.
„Wir müssen weiter voranmarschieren, Sir“, hatte Buchwald gedrängt. „Weder Tilly noch Wallenstein halten unsere Soldaten auf.“
Und auch Pogwisch hatte ihm zugestimmt: „Ist es nicht besser, für eine kurze Zeit mit den Glaubensbrüdern zu leiden, als dass es der katholischen Kirche gelingt, alles Protestantische zu erdrücken?“, hatte er Christian an seine Mission erinnert. Dann hatte er an sein wildes Herz appelliert: „Wollen wir denn ein Leben lang in seichten Gewässern schippern? Wir brauchen den Wind, der uns um die Ohren pfeift, Majestät.“
Doch wie würde die Situation erst im nächsten Winter aussehen? Schon jetzt verschlimmerte sich die Versorgungslage der Soldaten täglich. Von ersten Plünderungen durch die gegnerischen Heere berichtete man bereits. Kaiserliche Soldaten hatten in blinder Zerstörungswut Dörfer in Brand gesetzt, wahllos das Vieh abgeschlachtet, die Bauern traktiert, vertrieben und getötet. Auch in den Wäldern stöberten sie die Obdachlosen auf. Wen sie fanden, den schossen sie nieder, um ihm sein kümmerliches Bündel aus Hausrat und Spargroschen zu entreißen. Sogar Friedhöfe hatten sie nach Schätzen durchwühlt und Kirchen verwüstet. Als sich ihnen ein mutiger Pfarrer in den Weg stellte, hackten sie ihm Hände und Füße ab und ließen ihn auf dem Altar verbluten. Ein grausames Opfer für seinen protestantischen Gott.
Und von Süden drängte die Pest heran. In den kaisertreuen Lagern Tillys sollten die Soldaten umfallen wie die Fliegen. Sicherlich würde der Schwarze Tod bald auch in den eigenen Reihen wüten und die Seelen der Seinen einsammeln.
„Mein Volk, mein Volk.“ Christian stöhnte auf. Der Kampf um die protestantische Sache wurde zur Schlacht der Völker. Die deutsche Freiheit – war sie ein Ritt ins Verderben?
Schon waren Schweden, Frankreich, England und die Niederlande engagiert, die Flammen züngelten an allen Ecken. Lange aufgestautes Unheil drängte an die Oberfläche – und alle Fäden liefen in Deutschland zusammen.
Christian wusste, fast jedes europäische Problem besaß eine deutsche Dimension – wie etwa der jahrhundertealte Wettstreit der Habsburger mit den französischen Bourbonen um die Vorherrschaft, der Zwist des Königs von Spanien mit den Holländern oder der Hass der Katholiken auf die Protestanten. Alle Regierungen sind sich der strategischen Bedeutung des Reiches zwischen Rhein und Oder bewusst, dachte er. Und jede von ihnen versucht, ihre Interessen in diesem innerlich so gespaltenen Land zu verankern, um sich
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