Das Königsmal
September, wurde er nach Kopenhagen überführt, wo der König seinen erwählten Nachfolger in der königlichen Gruft bestatten ließ.
Von diesem Tag an schwanden die letzten Kräfte Seiner Majestät. Allein sein Wille, Wiebke nicht schutzlos den feindlichen Kräften auszuliefern, zögerte das Ende hinaus.
DER ABSCHIED
Kopenhagen, Ende Februar anno 1648
Kirsten Munk lächelte böse. Sie zerknüllte den Brief in ihren Händen und warf ihn ins Feuer. Knisternd umschloss die Flamme das Papier. Sie flackerte auf, gefräßig. Für einen Moment trat die Tinte auf dem verkohlten Papier hervor, sie leuchtete auf, bevor die Botschaft zu Asche zerfiel.
Zufrieden rieb sich die Gräfin die Hände. Es war frisch, der Wind zog durch die Mauern des Stadtpalais, und sie fror. Die vergangenen Monate waren eisig gewesen, so kalt, dass der Frost sogar in die Paläste der Stadt eingedrungen war, wo der Wein in den Gläsern zu rotem Schnee gefror und Eisblumen die Fenster auch von innen berankten. Im Kopenhagener Hafen türmten sich die Eisschollen zu hohen Wällen, und in den schneidenden Stürmen des Polarwinds seufzten und stöhnten die Blöcke, als ob die alten Götter des Nordmeeres sich darin liebten.
Wer konnte, war in den vergangenen Wochen nicht vor die Tür getreten. Der Schnee lag kniehoch auf den Straßen, die Kälte brannte in den Augen, ließ die Haut erstarren und jede Bewegung zur Qual werden. Kirsten Munk war froh, das Haus auch an diesem Tag nicht verlassen zu müssen. Alles, was sie benötigte, hatte sie im Palais ihrer Mutter zur Verfügung: Wein, Romane, ihren gefügigen Geliebten. Sie wartete – auf das Ende des Winters, auf das Ende des Königs und auf ihren Triumph. Täglich erreichten sie Briefe aus dem Palast, in dem König Christian angeblich seit Wochen mit dem Tode rang.
„Dem König geht es schlecht“, flüsterte sie den Eisblumen zu. Mit den Fingernägeln kratzte sie einige Kristalle von der Scheibe herunter, doch sofort wuchsen neue Ranken auf dem eisigen Grund nach. „Sehr schlecht.“
Nachdem Kronprinz Christian gestorben war, hatte Seine Majestät jede Freude an dieser Welt verloren. Allein die Hexe, Wiebke Kruse, wäre ihm ein letzter, schrecklicher Halt, hieß es im Volk. Sie würde nicht von seiner Seite weichen, seine Hand halten und Beschwörungen flüstern, um den König von allen Wohltaten der Kirche und des Erlösers fernzuhalten.
„Wiebke Kruse, die Hexe.“
Kirsten Munk kicherte. Die Dänen glaubten inzwischen tatsächlich, dass sich die Geliebte des Königs dunkler Mächte bediente und König Christian ihren Kräften hilflos ausgesetzt war. In den Straßen raunte man, auch die Niederlage der dänischen Flotte wäre das Werk der Wiebke Kruse gewesen. Wann hatte man je davon gehört, dass eine Frau mit in die Seeschlacht gezogen war? Nur eine Hexe, so hieß es, würde allen Gefahren trotzen und sich so furchtlos wie der Teufel aufführen. Und waren die Soldaten an Bord nicht mit eigenen Augen Zeugen geworden, wie die Kugel, die den König getroffen hatte, eine Bahn beschrieb, die sich nur durch eine finstere Kraft erklären ließ?
„Ganz Dänemark hast du gegen dich, kleine Wiebke“, summte die Gräfin. Sie winkte Hans Ulrich zu sich, der gerade das Zimmer betreten hatte. Nicht mehr nur Adel und Kirche verachten das Weib zur Linken, dachte sie, sondern ein ganzes Volk, das seinen König doch lieben will und sich mit dieser seltsamen Frau eine Erklärung für alle schmerzlichen Verluste sucht.
„Du singst?“ Hans Ulrich trat neben sie und schenkte sich Wein in einen silbernen Pokal. Genüsslich schwenkte er den Becher in seinen Händen hin und her. Ihr Zusammenleben in Kopenhagen hatte sich erfreulich gestaltet. Immer, wenn sie nach ihm verlangte, war er wie ein eifriger Schatten um sie, folgsamer als der treueste Hund. Und wenn sie allein sein wollte, spürte er ihr Bedürfnis nach Ruhe und verschwand klaglos aus ihrem Blickfeld.
„Nachrichten aus dem Palast.“
„Gute Nachrichten?“
„Ja. Deinem Vater geht es schlechter.“
Sie sah ihn an, wartete auf eine Reaktion, doch Hans Ulrich wandte sein Gesicht ab. Langsam schlenderte er durch den Raum, bevor er sich auf einen Stuhl fallen ließ.
„Komm her.“ Er klopfte auf seine Schenkel, und lachend ließ sie sich wie ein Kind auf seinen Schoß fallen. Er umfasste ihr Gesicht, drehte es zu sich. „Hast du alles bedacht?“
„Ja. Wenn der König stirbt, beginnt ein neues Leben. Der Adel, das Volk, alle setzen große
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