Das Königsmal
blickte ihn fragend an.
„Man schreibt den Zustand eines bestimmten Jahres fest. Für alle Ansprüche gilt der jeweilige Besitzstand zu diesem Zeitpunkt.“
„Welches Jahr könnte das sein?“
„Mit dem Kaiser habe ich zuletzt über das Jahr 1624 verhandelt. Dann bliebe der Augsburger Religionsfriede unangetastet, und die Gleichberechtigung der Konfessionen wäre festgelegt. In den kaiserlichen Erblanden wie Böhmen, Mähren, Schlesien und in den geistlichen Territorien im Süden und Westen würde der katholische Glaube festgeschrieben, während die norddeutschen Bistümer endgültig dem protestantischen zufallen.“
Seine Majestät sollte Recht behalten. Die Karte Europas veränderte sich, neue Linien, die doch die alten waren, wurden gezogen, Grenzen zurückversetzt, Ländereien wechselten wieder Besitzer und Glauben. Als sich diese neue Ordnung, die der König schon in groben Zügen umrissen hatte, langsam, aber sicher festigte, sah ich ihn ein letztes Mal lächeln. Es war ein bitteres Lächeln, auch wenn König Christian seine Genugtuung darüber nicht verbergen konnte, dass seine Ahnungen Wirklichkeit werden sollten.
„Nun wird alles so kommen, wie es schon einmal war“, sagte er und schüttelte den Kopf. „Wir haben mehr als zwanzig Jahre gekämpft. Vergeblich. So viel Leid für so wenig Veränderung. Ich sehe schon, wie sie diesen Vertrag mit Prozessionen und Salutschüssen verkünden werden. Doch ich kann diesen Frieden nicht feiern. Er ekelt mich.“
Danach zog sich der König noch mehr zurück.
„Er betet, alles zu vergessen, alle Gedanken aus seinem Kopf verbannen zu können.“ Wiebke war verzweifelt und ließ sich kaum von mir trösten. „Er sehnt sich nach einem Zustand der Unwissenheit, seine Schuld hat ihn zermürbt. Wenn ich ihn erreiche, nimmt er mich nur stumm in den Arm, bis ihn die Verzweiflung wieder zu sich ruft und er sich von mir zurückzieht.
Wiebke litt sehr unter der Veränderung des Königs.
„Er ist bei mir und nimmt mich doch nicht wahr“, klagte sie. „Es ist, als ob ein Schleier zwischen ihm und der Welt steht. Immer, wenn ich denke, dass ich zu ihm vordringe und seine Melancholie durchbreche, schiebt sich ein neuer Schatten zwischen uns.“ Sie weinte. „Ich verstehe sein Leid und seine Scham, aber er muss doch erkennen, dass das Volk ihm längst verziehen hat. Sein Mut und seine Tapferkeit sind in aller Munde, die Seeschlacht hat einen Heiligen aus ihm gemacht. Kein Schwede hat je die Hauptstadt erreicht.“
Je weiter die Verzweiflung den König von ihr entfernte, desto mehr fürchtete sie um sein Leben.
„Wenn nicht ein Wunder geschieht und der Lebensmut ihn wachrüttelt, wird sich Seine Majestät in einen stummen Schatten verwandeln und eines Abends mit der Dämmerung davonziehen.“
Ich redete ihr zu, versuchte ihren Glauben an die Kraft des Königs zu stärken, doch insgeheim befürchtete ich das Schlimmste. Auch für Wiebke: Inzwischen war die Macht des Königs im Reich so geschwächt, dass die feindlichen Stimmen schon auf den Fluren von Schloss Rosenborg flüsterten. Allein die Anwesenheit des Kronprinzen hielt ihre Gegner davon ab, gegen den König und die Illegitime, die Frau zur Linken, die man nun auch der Hexerei beschuldigte, vorzugehen. Ich betete jede Nacht – für die Seele des Königs und für Wiebkes Leben.
Und ich bereitete mich auf ein Unglück vor. Schon vor langer Zeit hatte der König Wiebke ein Anwesen in der Stadt geschenkt. Nur wenige wussten davon, und ich begann heimlich, das Haus für unsere Ankunft vorzubereiten. Ich ahnte, dass Wiebke bald eine sichere Zuflucht benötigte, doch ich wusste, dass sie nicht eher aus dem Palast fortgehen würde, bis sich König Christian entschlossen hatte, endgültig von dieser Welt zu gehen.
Als sich das Schlimmste dann ereignete, fügte es dem König eine Wunde zu, von der er sich nicht mehr erholte. Im Sommer anno 1647 starb Kronprinz Christian, die Hoffnung seines Vaters, der sich in den letzten Jahren mehr und mehr mit den Eskapaden seines Sohnes versöhnt hatte. Schon seit Jahren hatten wir die Gesundheit des Kronprinzen sorgenvoll beobachtet, nun hatte ihn eine schwere Krankheit entkräftet. Die Ärzte empfahlen eine Kur im Süden, doch der geschwächte Prinz erreichte sein Ziel nicht mehr, sondern erlag seinen Leiden auf der Reise in einem kleinen Ort in Sachsen. Sein Schwiegervater, der Kurfürst, ließ seine Leiche in Dresden in einer prachtvollen Zeremonie beisetzen. Später, im
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