Das Königsmal
hatten schließlich ihre Heimat und die Geborgenheit des Alltags aufgegeben, und die Söldnerexistenz war voller Risiken. Krankheit, Verwundung und Tod waren allgegenwärtig. Wer das Kugelgewitter der Schlachten, Hungersnöte, Pest und rohe Gewalt über lange Zeit überlebt hatte, galt im Heer als Gefrorener.
Am nächtlichen Lagerfeuer kursierten die unglaublichsten Geschichten, wie man sich unverwundbar gegen die Kugeln des Feindes machen konnte. Manche Soldaten zogen sich Nothhemden über, diese mussten von Jungfrauen gesponnen, gewebt und mit besonderen Kreuznähten bestickt worden sein. Ihre keusche Reinheit sollte einen undurchdringlichen Schutz vor allem Übel bieten. Andere rieben sich mit speziellen Salben ein, in die allerlei Hexenkräuter eingerührt worden waren und die erbärmlich stanken. Zumindest hielt man sich damit das Ungeziefer vom Hals. Einige steckten sich den Passauer Zettel, mit Fledermausblut geschriebene Beschwörungsformeln, in die Jacke oder hängten sich Amulette oder Talismane um – ein Stück von einem Henkersstrick, einen Bocksbart oder eine Hasenpfote. Manche Männer trugen Wolfsaugen oder den Kopf einer Fledermaus, eingenäht in einen Beutel aus schwarzem Katzenfell, bei sich.
Alles Aberglaube natürlich, doch Christian konnte es den Männern, die bei jedem Kampf ihr kümmerliches Leben riskierten, nicht übel nehmen, dass sie nicht nur auf das gemeinsame Gebet vor der Schlacht und die Hilfe Gottes vertrauen wollten. Manchmal wünschte auch er sich einen irdischen Halt auf dem Feld, und so hatte er Kirsten um ein Medaillon mit ihrem Bild gebeten, das er vor dem Kampf küsste und an sein Herz drückte.
Es war nicht ungewöhnlich, dass seine Söldner ihren gesamten Hausstand mit ins Feld brachten – nicht zuletzt, um versorgt zu sein, falls sie krank oder verletzt wurden. Die Soldatenfrauen behandelten die Verletzungen ihrer Männer, wechselten blutige Verbände oder bereiteten einen Heiltrank nach alten Familienrezepten zu. Sie kochten, zogen die Kinder auf und verdienten sogar noch nebenbei Geld, indem sie die Wäsche der Offiziere wuschen oder andere Dienste anboten. Einige stürmten sogar mit ihren Männern aufs Schlachtfeld, um die Toten auszuplündern.
Christian bewunderte diese unerschrockenen Weiber, die es an Kraft und Stärke oft mit einem Mann aufnehmen konnten. Auf dem Marsch trug manche Frau so viel Gepäck mit sich wie ein Lasttier: Stroh und Holz, dazu zwei oder noch mehr kleine Kinder auf dem Rücken und im Arm. Oft schleppten sie noch den Kleider- oder Schuhvorrat der Familie, das Essgeschirr, ein Zelt und zogen vielleicht sogar eine magere Kuh hinter sich her.
Wenn seine Frau die derart beladenen Weiber im Tross erblickte, wandte sie stets entsetzt – oder beschämt? – den Kopf zur Seite und drückte sich noch tiefer in die Kissen ihrer Kutsche.
„Was für erbärmliche Geschöpfe“, pflegte sie zu sagen. „Es fehlt nur das Zaumzeug und sie wären Packesel. Warum bleiben sie nicht daheim?“
Christian musste sich dann eine bissige Bemerkung verkneifen, wusste er doch, dass ihr Zuhause oft nicht mehr als eine verlassene, traurige Hütte war, die der Feind längst niedergebrannt hatte.
Langsam schritt Henning auf den gepflasterten Hofplatz der Burg. Die Stallburschen liefen heran, übernahmen die Zügel und halfen dem König beim Absitzen. Auch Buchwald, Pogwisch und die Leibwache, die mit ihm geritten waren, saßen ab und führten ihre Tiere in den Stall.
Auf der anderen Seite des Platzes konnte Christian seine Kinder sehen, die mit der kleinen Wäscherin auf der Wiese tobten. Die Holsteinerin hatte die Herzen seiner Lieblinge im Sturm erobert. Er hatte das Quartett bereits einige Male beim Spiel beobachtet und die liebevolle Umsicht Wiebkes bewundert. Sie achtete stets darauf, dass die Kleinste nicht unter den stürmischen Raufereien ihres älteren Bruders leiden musste. Gleichzeitig wusste sie die beiden größeren Kinder mit immer neuen Ideen zu beschäftigen. In diesem Moment spielten sie Fangen und verschwanden hinter dem Wirtschaftstrakt der Burg.
Lächelnd blickte er ihnen nach. Ein Jammer, dass sich Kirsten überhaupt nicht für den Zeitvertreib ihrer Kinder interessierte. Ja, wahrscheinlich hatte sie sich wieder in ihrem Bett verkrochen und pflegte ihre Launen. Unerschöpflich war ihre Ausdauer, wenn es darum ging, ihre kleinen Malaisen zwischen den Laken zu kurieren.
Tatsächlich fand er seine Frau wenig später in ihrer Höhle, die Wangen
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