Das Königsmal
gerötet vom schweren Wein, den sie in letzter Zeit schon am Nachmittag trank.
„Wie geht es meiner Liebsten?“, begrüßte Christian sie mit einem sanften Kuss auf die Stirn. Ihre Augen glänzten, und im diffusen Halbdunkel des Raums ließ sich nur schwer sagen, ob Tränen darin schimmerten oder sich nur das Flackern des Feuers widerspiegelte.
Kirsten hatte in den vergangenen Wochen viel geweint, und alles, was er tat, um sie aufzuheitern, schlug fehl. Sie wollte keine Soldatengeschichten hören, sie wollte keine Ausritte oder Spaziergänge in dieser trostlosen Wildnis mit ihm machen, und erst recht stand ihr der Sinn nicht nach einer Kissenschlacht in ihrem verführerischen Bett, das ihn auch jetzt unwiderstehlich anzog.
Schließlich hatte er seiner Königin einen schwarzen Mops geschenkt, wie es jetzt Mode an den Höfen war. Der Händler, ein untersetzter Mann mit gierigem Blick, hatte ihm erzählt, dass die stupsnäsigen Hunde ursprünglich aus China stammten. Mit den Schiffen der East Indian Company oder Karawanen über die Seidenstraße waren sie nach Europa gekommen.
Die ersten Möpse waren als exotische Raritäten an den Zarenhöfen und im niederländischen Königshaus aufgetaucht. Man sprach ihnen ein heiteres Wesen zu. Ihr Gesicht verlieh ihnen durch die dunkle Maske und die beiden schwarzen Schönheitspunkte auf den Wangen von Natur aus die Rolle eines Harlekins.
Doch jetzt ruhte das wurstähnliche Geschöpf neben seiner Frau auf einem Kissen und schaute ihn schlecht gelaunt an, während Kirstens Hände unablässig über sein Seehundfell glitten, um dann die weichen Ohren zu kneten. Eifersucht wallte in Christian auf, und mit einer kindischen Geste scheuchte er den Hund vom Bett.
„Schlecht, schlecht, schlecht“, beantwortete Kirsten seine Frage mit schwacher Stimme und verzog gequält die Lippen zu einem matten Lächeln. „Dieses dunkle Quartier drückt auf mein Gemüt, alles ist klamm und alt und schrecklich unbequem. Warum also aufstehen? Hier habe ich alles, was ich brauche, und wenn ich träume, vergeht die Zeit nur umso schneller.“
Christian hatte sich einen Stuhl ans Bett gezogen und setzte sich. Aus seiner Jackentasche zog er einen versiegelten Brief, der am Morgen aus Kopenhagen eingetroffen war.
„Ein Schreiben von Königin Sophie“, erklärte er. Nach kurzem Blick auf die bekannt energischen Zeilen seiner Mutter fuhr er fort: „Ihre Majestät schreibt, dass sich unser Jüngster Friedrich Christian prächtig entwickelt. Er ist wohl keinesfalls so schwach, wie die Ärzte anfangs glaubten.“
Wieder lächelte Kirsten pflichtschuldig, doch Christian überflog schon die nächsten Passagen, und sein Blick verdüsterte sich. Seine Mutter berichtete im Anschluss von den Eskapaden seines ältesten Sohnes. Der zwanzigjährige Kronprinz Christian lenkte in Abwesenheit seines Vaters die Regierungsgeschäfte in Kopenhagen, wenn er auch nur die Order des Königs ausführte. Das Prozedere war mühsam, und der Fortgang der Entscheidungen war der Geschwindigkeit der Kuriere unterworfen, die zwischen Holstein und Kopenhagen hin- und herjagten. Diese Schwäche nutzte der starke dänische Adel, der im Rigsråd saß und sich den meisten Gesetzen und Vorschlägen des Königs hartnäckig widersetzte. Warum sollten sie Macht und Einfluss preisgeben an einen Mann, der die Welt oftmals so anders sah als sie selbst? Der sich etwa erdreistete, die Leibeigenschaft abschaffen zu wollen. Wer, bitteschön, sollte dann ihre Güter bestellen?
Und jetzt hatte sich der Kronprinz zu allem Überfluss mit einer verheirateten Adligen eingelassen. Die schöne Anna Lykke war auch Christian schon aufgefallen, doch er hatte seine Finger von der Baronin gelassen, war sie doch mit einem seiner mächtigsten Widersacher verheiratet.
Aber mein reizender Sohn, dachte er, der sich auf meine Kosten ein allzu süßes Leben fernab der Fronten macht, hat nichts Besseres zu tun, als sich in die Arme dieser Frau zu werfen – und seinen Vater zu düpieren. Wusste er denn nicht, dass er sich mit dieser Affäre erpressbar machte? Dass er dem verdammten Rigsråd noch mehr Munition lieferte gegen den König? Es war schließlich auch ohne dieses skandalöse Tête-à-Tête schwer genug, den blasierten Großgrundbesitzern, die der Auffassung waren, Dänemarks Herrlichkeit stünde allein ihnen zu, die Stirn zu bieten.
Christian schloss die Augen und fühlte, wie sich der Ärger durch seinen Körper fraß. Er würde Wenzel Rothkirch nach
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